Engelsfluch
wie?«
»Irrtum. Wenn du den Wachen sagt, dass du Deutscher bist und den Campo Santo besuchen willst, lassen sie dich durch.«
»Seltsam, wo der Vatikan doch eine so abgeschlossene Welt ist.«
»Ein eigener Staat mit seinen Grenzen, ja. Aber du hast Recht, Enrico, vieles am Vatikan ist seltsam – oder sagen wir ungewohnt – für einen Außenstehenden.«
»Kein Wunder, dass man dich beim ›Messaggero‹ als Vatikanjournalist genommen hat, du kennst dich hier aus.«
»Erstens das, und zweitens hat Elena ein gutes Wort für mich eingelegt.«
Die Erwähnung Elenas ließ ihre Unterhaltung verstummen.
Sie gingen weiter, umrundeten den Petersdom und betraten schließlich ein großes Gebäude, das von der Schweizergarde bewacht wurde.
»Ist das nicht der Palast des Papstes, von dem aus er vorhin gesprochen hat?«, fragte Enrico verwundert. Alexander nickte nur, führte ihn zu einem Lift und zeigte dem Liftführer, der eine schmucklose Uniform trug, die Einladung Sie fuhren hinauf in den dritten Stock, und Enrico fragte sich zum wiederholten Mal, welcher hoch gestellten Persönlichkeit des Vatikans er hier begegnen würde. Als die Lifttür aufging, wurden sie von einem schlanken Mann erwartet, der den schwarzen Anzug und den weißen Kragen eines Geistlichen trug und dessen Gesicht durch die hohen Wangenknochen und die schmalen Augen einen asiatischen Einschlag hatte. »Don Henri Luu, Privatsekretär Seiner Heiligkeit«, stellte Alexander ihn vor. »Und dies hier ist Signor Enrico Schreiber aus Deutschland, Don Luu.«
Luu schüttelte Enricos Hand. »Willkommen im Apostolischen Palast. Kommen Sie mit, die Suppe wird bereits aufgetragen. Es ist nur ein bescheidenes Essen, aber ich hoffe, es wird Ihnen schmecken.«
»Das wird es sicher«, sagte Enrico, weil alles andere unhöflich gewesen wäre. Noch immer verspürte er nicht den geringsten Appetit.
Sie betraten einen Raum, in dem zwei Ordensschwestern einen Tisch für vier Personen gedeckt hatten. Ein Mann im weißen Gewand blickte durch eins der Fenster nach draußen und drehte sich beim Eintreten der drei anderen Männer um. Es war der Papst.
»Da draußen hat sich ein großes Publikum versammelt«, sagte Custos, während er seinen Blick auf Alexander und Enrico richtete. »Wie ist meine kleine Ansprache angekommen?«
»Sehr gut, Heiligkeit«, versicherte Alexander. »Sie haben den Applaus wohl gehört.«
»Ja, darüber habe ich mich sehr gefreut. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil es zeigt, dass viele Menschen noch festen Glaubens sind.« Nach einer kurzen Pause fügte der Papst hinzu:
»Wenn ich ehrlich bin, ein bisschen auch aus Eitelkeit. Ich habe in den letzten Tagen nicht gerade ein überragendes Maß an Zustimmung erfahren.«
»So etwas baut einen wieder auf«, platzte Enrico heraus, bevor er sich auf die Lippen beißen konnte.
Custos lächelte, was sein angenehmes Gesicht noch sympathischer wirken ließ. »Ganz recht, Signor Schreiber, und treffend ausgedrückt. Es freut mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Sie haben, seit Sie hier in Italien sind, einige erstaunliche Dinge erlebt. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich in Ihre Erlebnisse einweihen könnten.« Damit wies er einladend zum Tisch, auf dem eine Terrine mit deftiger Kartoffelsuppe stand. Noch bevor Enrico den ersten Löffel zum Mund führte, meldete sich bei ihm plötzlich der Appetit.
Jegliche Befangenheit war in dem Augenblick von ihm abgefallen, als der Papst zu ihm gesprochen hatte. Custos hatte eine seltene Gabe, auf die Menschen zuzugehen und sie für sich einzunehmen. Was hier im kleinen Kreis sichtbar wurde, hatte er bei seiner Ansprache vorhin auch im großen Maßstab unter Beweis gestellt. Als hätte Don Luu die Einwände Enricos von vorhin gehört, sagte er: »Ich zweifle noch immer, ob Ihre Reise nach Neapel die richtige Entscheidung ist, Heiligkeit. Für die Öffentlichkeit entsteht dadurch der Eindruck, dass Sie die Abtrünnigen als gleichgestellt anerkennen.«
»Was hätte ich tun sollen? Die Führer der Gegenkirche wären kaum zu uns nach Rom gekommen, und eingeladen hätten sie mich wohl auch kaum. Da blieb mir nur der Weg, mich selbst einzuladen. Da ich das vor den Augen der Weltpresse getan habe, können die Abweichler es kaum ignorieren. Sie würden dann dastehen, als scheuten sie die Auseinandersetzung mit mir.«
»Wir hätten die Kontakte zur Gegenkirche zunächst auf einer unteren Ebene knüpfen können«, schlug Luu vor. »Dann wären die Erwartungen
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