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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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nicht so hoch und ein möglicher Fehlschlag nicht so gravierend gewesen.«

    »Aber Henri, haben Sie mir vorhin nicht zugehört?«, fragte der Papst mit echtem Erstaunen. »Sie sollten nicht von einem möglichen Fehlschlag reden, nicht einmal daran denken.
    Glauben Sie lieber an einen Erfolg. Sie wissen doch, der Glaube versetzt Berge!«
    Luu lächelte schwach und wirkte nicht überzeugt.
    »Außerdem sind wir in Zugzwang«, fuhr der Papst fort. »Die Zeit arbeitet für die Gegenkirche. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr wird die Existenz einer zweiten katholischen Kirche und eines zweiten Papstes von der Öffentlichkeit und von den Gläubigen als gegeben hingenommen. Nein, wenn wir etwas dagegen tun wollen, dann jetzt!«
    Die Nonnen räumten die Suppentassen ab, servierten einen Gemüseauflauf und anschließend einen Schokoladenpudding als Nachspeise. Es war gute Hausmannskost, und sie schmeckte Enrico. Während des Essens wechselte das Gesprächsthema: Der Papst und sein Privatsekretär erkundigten sich nach Einzelheiten über den Mord in Marino. Sie waren über den Vorfall sehr betroffen, und Custos sagte: »Es scheint nicht zu genügen, dass unsere Kirche von innen gespalten ist, zu allem Unglück muss auch noch ein äußerer Feind unsere Priester ermorden. Wir leben wahrhaftig in einer Zeit der Prüfungen.«
    »Vielleicht steht beides in einem Zusammenhang, die Kirchenspaltung und die Priestermorde«, sagte Alexander. »Die anderen beiden Opfer haben früher im Vatikan gearbeitet.
    Möglicherweise waren sie der Gegenkirche aus irgendeinem Grund ein Dorn im Auge.«
    »Und der tote Priester aus Marino?«, fragte Luu.
    »Der musste sterben, weil er als Cousin von Giorgio Carlini etwas wusste. Oder weil die Mörder einfach nur befürchteten, dass er etwas wusste.«

    »Das klingt plausibel«, fand Luu.
    »Für mich nicht so sehr«, wandte Papst Custos ein. »Die in Neapel und ihre Anhänger sind Abtrünnige und haben sich in vielfacher Weise am Allmächtigen und seiner Kirche versündigt, aber ich halte sie nicht für abgefeimte Mörder. Auch die Kirchenspalter sind Christen, halten sich selbst sogar für die besseren, und deshalb werden sie Gottes Gebote achten.«
    »Die meisten schon«, stimmte Alexander zu. »Aber vielleicht gibt es unter ihnen einige, denen die Festigung ihrer Macht wichtiger ist als die Beachtung der Zehn Gebote.«
    »Ja, vielleicht«, seufzte Custos und schob mit einer demonstrativen Geste die Puddingschale von sich weg. »Sie sollten Ihre Ideen mit Don Luu eingehend erörtern, Alexander.
    Er hat Ihnen außerdem etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich für meinen Teil würde mich freuen, wenn Signor Schreiber mich zu einem kleinen Verdauungsspaziergang auf den Dachgarten begleiten würde.«
    »Gern«, sagte Enrico und fragte sich, womit er diese Ehre verdiente. Offenbar wollte der Papst unter vier Augen mit ihm sprechen.
    Über eine kleine Treppe stiegen sie zu dem Dachgarten hinauf, auf dem viele große Pflanzen und sogar kleine Bäumen wuchsen. In einem Brunnen tummelten sich zahlreiche Goldfische. »Ich habe diesen Garten von meinem Vorgänger übernommen und ihn ohne große Änderungen beibehalten«, erklärte Custos. »Er bietet eine gute Gelegenheit, um sich zwischen all der Arbeit kurz an der frischen Luft zu entspannen.«
    »Auch ohne die aktuellen Ereignisse dürfte Ihr Tagesablauf mit Verpflichtungen überhäuft sein, Heiligkeit«, sagte Enrico.
    »Umso erstaunter bin ich, dass Sie mir so viel von Ihrer kostbaren Zeit widmen.«

    Der Papst lächelte ihn an. »Das ist aber eine sehr diplomatische Aufforderung, endlich auf den Punkt zu kommen.
    Aber Sie haben Recht, ich habe Sie nicht ohne Hintergedanken in mein kleines Dachparadies entführt. Ihre Anwesenheit in Marino, als der arme Leone Carlini ermordet wurde, ist nur einer der beiden Gründe, weshalb ich Sie sprechen wollte. Den anderen Grund kennen Sie vermutlich auch.«
    »Wenn Sie die Ereignisse in Borgo San Pietro und in Pescia meinen, dann ja.«
    »Genau das meine ich. Auch dort waren Sie beinah Zeuge eines Mordes. Aber Sie haben keinen Verdacht, weshalb der Pfarrer den Bürgermeister getötet hat?«
    »Einen Verdacht nicht, allenfalls eine vage Vermutung. Aber sie ist so ungewiss, dass ich besser nicht darüber sprechen sollte.«
    »Tun Sie es dennoch!«, forderte Custos ihn auf. »Ich bitte Sie darum.«
    »Vielleicht wissen Sie, dass ich nach Borgo San Pietro gefahren bin, um nach Angehörigen meiner Mutter zu forschen.«
    »Ja. Ihre

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