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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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liegt.
    Gott existiert nicht erst, seitdem es das Christentum gibt, folglich gilt das auch für die Engel.«
    »Aber welcher Natur sind die Engel wirklich? Sind es greifbare Wesen oder nur Symbole?«
    Custos sah ihn ratlos an. »Ich bin nur der Papst, nicht Gott.
    Warum ist diese Frage für Sie so wichtig, Enrico?«
    »Ich möchte endlich wissen, was es mit meinen Träumen auf sich hat. Manchmal denke ich nämlich, dass dies mehr ist als Träume. Es erscheint mir wie eine zweite Realität, in die ich hinüberzugleiten drohe. Aber dann müsste auch diese Gestalt real sein. Kann es das geben, einen Engel, der zugleich ein Teufel ist?«
    »Aber ja!«, antwortete Custos mit einer Überzeugung, die Enrico verwunderte und erschreckte. »Denken Sie nur an Luzifer, den Lichtträger. Das soll der Name Satans gewesen sein, als er sich noch nicht von Gott losgesagt hatte und der schönste und prachtvollste aller Engel war. Dann aber kam es zur Engelssünde und zum Engelssturz, mit dem die von Luzifer angeführten rebellischen Engel von Gott verbannt wurden.
    Jedenfalls sehen einige Theologen das so. Sie glauben, einen Beleg dafür im Buch Genesis zu finden, wo am ersten Schöpfungstag die Scheidung von Licht und Finsternis erwähnt wird. Damit seien die aufbegehrenden Engel angeblich in die Tiefe der Hölle gestürzt worden.«
    »Verzeihen Sie, wenn ich in diesen Dingen nicht so bewandert bin. Aber was hat es mit der Engelssünde auf sich?«
    »Zitieren Sie mich bloß nicht öffentlich mit dem, was ich jetzt sage«, bat Custos augenzwinkernd. »Belege dafür finden sich nämlich nicht in der Bibel, aber in Schriften, die zur selben Zeit entstanden sind wie das Neue Testament. Im außerbiblischen Buch Henoch wird der Sündenfall Luzifers und seiner Mitstreiter auf die Anziehungskraft irdischer Frauen auf die Göttersöhne zurückgeführt, die allerdings auch im Alten Testament, im Buch Genesis, Erwähnung findet. Luzifer und die Seinen ließen sich auf eine geschlechtliche Vereinigung mit den irdischen Frauen ein, und zur Strafe wurden sie von Gott verbannt. Dieser fleischbetonten Theorie zieht die kirchliche Lehre allerdings eine andere Version von Satans Sündenfall vor.
    Danach habe Satan sich geweigert, sich vor dem neuen Geschöpf Gottes, vor Adam, zu verneigen, weil er der Meinung gewesen sei, der neu geschaffene Mensch müsse den Engel als älteres Wesen verehren und nicht umgekehrt. Als Gott ihn zur Rede stellte, soll Satans dreiste Erwiderung gewesen sein: ›Wie kann ein Sohn des Feuers sich verneigen vor einem Sohn des Lehms?‹ Gott soll ihn daraufhin in die Tiefe geschleudert haben, und ein Drittel aller Engel, das ebenfalls zu stolz und hochmütig für die Verehrung des Menschen war, habe sich Satan angeschlossen.«

    »Ein Engel, der zum Teufel wurde«, sagte Enrico nachdenklich. »Ist das nicht genau das, was mein Traum besagt?«
    »So könnte man ihn deuten, ja. Ich würde Ihnen gern mehr dazu sagen, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist mir das nicht möglich.«
    »So schnell kann es gehen«, sagte Enrico mit einem bitteren Unterton. »Eben war ich für Sie noch ein Nachfahre von Jesus und jetzt vielleicht eher ein Sohn Satans. Dabei …« Er unterbrach sich und blickte auf seine Hände.
    »Ja?«, hakte Custos nach.
    »Heiliger Vater, haben Teufel Wundmale?«
    Enricos Frage verblüffte den Papst. »Wie soll ich das verstehen?«
    Enrico erzählte ihm von den roten Flecken, die er bei Angelo und in schwächerem Maß auch bei sich bemerkt hatte. »Sie kennen sich doch aus mit, hm, ungewöhnlichen Heilungen?
    Treten die Flecke, diese Wundmale, dabei denn immer auf?«
    »Nein, ich höre davon zum ersten Mal.«
    »Dann bin ich vielleicht doch keiner von Ihren Leuten, von den Auserwählten. Auch wenn ich über ähnliche Kräfte verfüge, stamme ich vielleicht von jemand – oder etwas – ganz anderem ab.«
    »Ich muss darüber nachdenken«, sagte Custos, »ganz in Ruhe. Am liebsten wäre mir, Sie blieben länger in Rom, damit wir das Gespräch nach meiner Rückkehr aus Neapel fortsetzen können. Vorher habe ich zu viel um die Ohren.«
    »Ich glaube, in Borgo San Pietro finde ich eher Antworten auf meine Fragen, Heiligkeit. Ich werde morgen zurück in die Toskana fliegen. Aber ich würde mich freuen, wenn wir unser Gespräch fortsetzen könnten. Es hat mir neue Einsichten vermittelt. Und noch etwas …«
    »Ja?«
    »Sie werden unter den Mitgliedern Ihrer Kirche Millionen von Gläubigen finden, die fleißigere Kirchgänger

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