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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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hat einigen Aufwand betrieben, um Sie heimlich nach Italien zu bringen, aber weniger Aufwand wäre vielleicht unauffälliger gewesen. Durch Spione erfuhren die Österreicher davon und beschlossen, Sie abzufangen. Und diese Aufgabe fiel mir zu. Als Lenoirs Soldaten erschienen, musste ich schnell einen neuen Plan ersinnen. Mich als Ihren Diener auszugeben war kein schlechter Einfall. Das Lob geht an Sie, denn Sie haben diese Lüge selbst aufgebracht. Ich begriff rasch, dass sich mir in meiner neuen Rolle ungeahnte Möglichkeiten boten. Ich beschloss, Sie zu begleiten, bis Sie das Heiligtum der Etrusker entdeckt hätten.«
    »Und dann haben Sie unter dem Vorwand, Arbeitskräfte für die Ausgrabungen anzuwerben, Major von Rotteck hergeführt.«
    »Das haben Sie zwar erst spät, aber richtig begriffen«, sagte Riccardo ohne jede Ironie.
    »Aber warum? Was ist so wichtig an der alten Stadt der Etrusker?«
    »Glauben Sie wirklich, es geht Fürstin Elisa nur darum, ihren kaiserlichen Bruder mit ein paar alten Scherben zu beeindrucken? Deshalb all der Aufwand, die Geheimhaltung?
    Meinen Sie, die Fürstin von Piombino und Lucca hat angesichts der gegenwärtigen Lage, des Kriegszustands mit Osterreich und seinen Verbündeten, keine anderen Sorgen?«
    »Aber worum geht es dann?«
    Riccardos Züge wurden wieder ernst, und sofort wirkte er zehn Jahre älter. »Es geht um die Macht. Darum geht es doch allen Hochwohlgeborenen, die uns regieren, mögen sie sich nun Fürsten, Könige oder Kaiser nennen.«
    »Sie sprechen in Rätseln, Riccardo.«
    »Weil ich auch nicht viel mehr weiß als Sie. Ich bin in dem großen Spiel um Macht und Herrschaft recht bedeutungslos, Signor Schreiber. Ich weiß nur, dass die Bewohner von Borgo San Pietro nicht die Einzigen sind, die dieser verschütteten Stadt eine große, besondere Bedeutung beimessen. Einer alten Legende zufolge hatten sich hier die hervorragendsten Priester der Etrusker zusammengefunden, die weisesten und mächtigsten Männer jenes Volkes. Hier vermutete man eine Quelle unwiderstehlicher Macht, die den Etruskern helfen sollte, die immer weiter in ihr Gebiet vordringenden Römer zu vertreiben.
    Aber diese Macht wandte sich gegen diejenigen, die sie anwenden wollten. Es kam zu einer großen Katastrophe, bei der die Stadt vom Erdboden verschlungen wurde. So ungefähr lautet die Legende. Fragen Sie mich nicht, was daran Wahrheit ist und was Aberglaube! Immerhin scheinen ein paar einflussreiche Leute Interesse an dieser seltsamen Machtquelle zu haben: Kaiser Napoleon und sein Gegenspieler Franz.«
    »Für den Sie arbeiten.«
    »Sie sagen das so vorwurfsvoll. Finden Sie es ehrenhafter, in Bonapartes Diensten zu stehen?«
    »Ich stehe nicht in seinen Diensten, sondern in denen seiner Schwester.«
    »Das bleibt sich doch wohl gleich. Wenn es Elisa gelingt, dieser Machtquelle, sollte es sie denn wirklich geben, habhaft zu werden, wird über kurz oder lang Napoleon über diese verfügen.«
    »Glauben Sie denn, dass diese Macht in den Händen der Habsburger besser aufgehoben wäre?«
    »Wohl kaum, aber mich haben nun einmal die Österreicher bezahlt, so wie Sie von Elisa bezahlt werden.«
    »So ist das eben, Riccardo, bei den Fürsten und Kaisern dreht sich alles um die Macht und bei uns ums Geld.«
    Riccardo spuckte verächtlich aus. »Ich wünschte, ich hätte mich nie auf den Handel eingelassen. Maria bedeutet mir mehr als alles Geld der Welt.«

    »Sie lieben Ihre Schwester sehr«, stellte ich fest. Riccardo blickte mich an, als wolle er mir etwas Wichtiges sagen. Doch dann sah er zu Boden und brachte nur ein kurzes »Ja« hervor.
    Unser Gespräch verebbte, und ich sah in die Dunkelheit hinaus, dorthin, wo die Ausgrabungsstätte hinter den Schleiern der Nacht verborgen lag. Die Etrusker waren ein rätselhaftes Volk, ohne Frage, aber der Legende, von der Riccardo eben erzählt hatte, maß ich keinen Wahrheitsgehalt bei. Überall, wo sich in der Vergangenheit große Unglücke ereignet hatten, versuchten die Menschen, sich das Geschehene anhand solcher Geschichten zu erklären. In diesem Fall sollten die Etrusker sich an einer Macht versucht haben, die ihnen offenbar nicht zustand, und deshalb fielen sie ihr angeblich selbst zum Opfer. Das alles erinnerte mich sehr an die Geschichte von Evas Sündenfall.
    Vermutlich hatten die Menschen das biblische Motiv abgewandelt, um sich eine Erklärung für den Untergang dieser Etruskerstadt zurechtzuzimmern. Was mich allerdings erstaunte, war, dass

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