Engelsfluch
meinen Kopf, der an der Stirnseite blutgetränkt war. Sie säuberte meine Wunde so sanft, wie es ihren zarten Händen möglich war, und griff dann zu einer Tonschale, um eine grüngelbe Paste auf meine Stirn zu streichen.
»Was ist das?«, fragte ich misstrauisch.
»Ein gutes Mittel zum Heilen von Wunden«, antwortete Maria und blickte mich offen an. »Schon meine Großmutter hat es oft angewandt.«
»Kein Wunder bei solchem Banditengezücht!«
Als ein Schatten sich auf Marias Gesicht legte, bereute ich meine harten Worte.
Ich hatte zwei Kopfverletzungen. Eine in Form einer großen Beule am Hinterkopf, wo mich der Kolbenhieb einer Muskete getroffen hatte. Die zweite Verletzung war die klaffende Wunde an der Stirn, die ich mir beim Umstürzen der Kutsche zugezogen hatte. Wenn Maria auch nicht in den medizinischen Künsten geschult war, so kümmerte sie sich doch sehr sachkundig um mich. Als Schwester eines Banditenführers hatte sie wohl gelernt, wie man Wunden versorgte.
Aber Banditenschwester oder nicht, Maria gefiel mir, und ich versuchte, mich mit ihr zu unterhalten. Anfangs war sie sehr einsilbig, besonders wenn ich das Gespräch auf ihren Bruder und seine Räuberbande brachte. Doch wenn es um meine Heimat und um mein Leben ging, leuchteten ihre Augen wissbegierig auf, stellte sie Fragen über Fragen, als sei ihr das Leben hier in Norditalien nicht genug. Hin und wieder lachten wir, wenn mein nicht ganz perfektes Italienisch oder Marias Unkenntnis zu kuriosen Missverständnissen führte, und ich vergaß fast, dass ich ein Gefangener war.
Ich erfuhr, dass sich der Überfall bereits am Vortag ereignet hatte und dass ich lange Zeit ohne Bewusstsein zugebracht hatte.
Aber es ging mir zusehends besser, und ich verbrachte eine verhältnismäßig ruhige zweite Nacht im Lager der Banditen.
Gedanken an Flucht tauchten auf, aber ich verwarf sie schnell.
Riccardo Baldanello hatte eine ständige bewaffnete Wache am Eingang der Höhle postiert. Der Wächter hätte mich vermutlich niedergeschossen, bevor ich überhaupt in seine Nähe gelangt wäre.
Als Maria gegen Mittag in die Höhle trat, erwartete ich, sie würde mir etwas zu essen bringen. Doch sie kam mit leeren Händen und sagte: »Riccardo meint, Sie sollen draußen mit uns essen. Frische Luft und etwas Bewegung tun Ihnen gut, sagt er.«
»Da mag Ihr Bruder Recht haben«, stimmte ich zu und wollte mich erheben.
Ein leichter Schwindel erfasste mich, und Schweiß bedeckte meine Stirn. Als ich wankte, sprang Maria schnell hinzu und ergriff meinen rechten Arm. Ich atmete tief durch, und bald ging es mir besser. Von Maria gestützt, verließ ich die Höhle, begleitet von einem verächtlichen Blick des Wachtpostens.
Draußen blieb ich stehen und blinzelte in das Mittagslicht, bis ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Tief sog ich die klare und zugleich würzige Luft ein, während ich in die Runde blickte. Das Banditenlager befand sich in einem kleinen Tal, das ringsum von größtenteils bewaldeten Anhöhen umgeben war.
Nur ein einziger schmaler Weg schien aus dem Tal zu führen, und an ihm hockte ein weiterer bewaffneter Wächter auf einer felsigen Anhöhe, die ihm offenbar einen guten Überblick gewährte. Im Tal standen mehrere windschiefe Hütten, hastig und ohne Aussicht auf einen längeren Bestand errichtet. Ein paar Ziegen streunten zwischen den Hütten umher, und eine kleine Quelle am Rand der Lichtung spendete ausreichend Wasser. Riccardo Baldanello hatte für seine Bande, die ich auf zehn bis zwölf Mann schätzte, einen idealen Unterschlupf gefunden. Der Banditenführer saß mit einem Großteil seiner Leute um ein großes Feuer, über dem ein kupferner Kessel hing.
Als er uns erblickte, winkte er. Wir traten näher, und Maria ließ sich an seiner Seite auf einem umgestürzten Baumstamm nieder.
Ich nahm neben ihr Platz. Riccardo reichte mir einen Tonkrug, und ich trank etwas von dem frischen Quellwasser. »Wie fühlen Sie sich, Signor Schreiber?«, fragte er.
»Schon besser als gestern. Ihre Schwester hat sich vorbildlich um mich gekümmert.«
»Das will ich hoffen«, sagte Riccardo mit gespielter Strenge, während er zugleich Maria mit einem Lächeln bedachte. »Wir müssen noch etwas warten, bis die Suppe heiß ist. Vielleicht haben Sie jetzt Lust, unsere Unterhaltung von gestern fortzusetzen?«
»Sie sind ein seltsamer Mann, Signor Baldanello«, erwiderte ich. »Erst verschleppen Sie mich und töten dabei meinen Kutscher, und jetzt fragen
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