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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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nicht die Blöße geben, ihn erkennen zu lassen, wie wenig ich über diesen Auftraggeber wusste. Durch geschickte Fragen versuchte ich, mehr in Erfahrung zu bringen, aber entweder wusste Herr Lohmann nichts, oder er wich gewandt meinen Fragen aus. Er überreichte mir die in dem Brief genannte Reisekasse, die nicht nur ausreichend, sondern üppig genannt werden musste, und ein weiteres, ebenfalls anonymes Schreiben, das Einzelheiten über meinen Reiseweg enthielt. Am nächsten Morgen schon sollte ich Celle verlassen, und ich folgte dem, ohne zu zögern. Die Hälfte der Reisekasse ließ ich meiner Mutter und den Schwestern zurück, womit sie gut versorgt waren.
    Tausendmal und mehr hatte ich mir während der Reise den Kopf darüber zerbrochen, wer in Italien von mir gehört hatte und so sehr auf meine Hilfe erpicht war, dass er ein kleines Vermögen dafür opferte. Und welche Aufgabe harrte meiner?
    Ich fand keine Antworten, hatte einfach viel zu wenig Hinweise.
    Ich wusste nicht einmal, wo meine Reise enden sollte.
    Etwa hier, in dieser unwirtlichen Hügellandschaft? Der Gedanke durchfuhr mich, als sich draußen Lärm erhob und die Kutsche noch bedrohlicher wankte als bisher. Ich hörte laute, heftige Schreie und das unverkennbare Krachen von Schüssen.
    Pulverrauch lag auf einmal in der Luft, und dann drehte sich die Welt um mich. Die Bäume tanzten, der Himmel wollte mit dem Boden tauschen, und mir wurde noch viel übler als zuvor. Meine Stirn stieß mit böser Wucht gegen eine Holzstrebe, und ein stechender Schmerz wollte meinen Kopf spalten. Mit einer unbeschreiblichen Verrenkung meiner Glieder lag ich in der umgestürzten Kutsche und fühlte mich hilflos wie ein auf den Rücken gefallener Maikäfer. Ich drehte den schmerzenden Kopf und konnte durch das Fenster der linken Tür des Verschlags in den blauen Himmel hinaufstarren, woraus ich schloss, dass mein Reisegefährt auf die rechte Seite gefallen war. Welch belanglose Schlussfolgerungen des Menschen Verstand doch zuweilen in den unpassendsten Augenblicken anstellt! Den Himmel sah ich nur kurz, dann wurde er von wilden Gesichtern verdeckt: schmutzig, überwuchert von ungepflegtem Bartwuchs. Die Blicke der Männer glichen denen eines Raubtiers, das seine Beute sicher weiß. Ich erinnerte mich an die Schüsse und an Peppos inbrünstigen Ausruf: »Banditi!«

    Die linke – oder obere, ganz wie man die Sache betrachtete –
    Tür des Verschlags wurde geöffnet, und grobe Hände streckten sich mir entgegen, zerrten mich aus der Kutsche und dann hinunter auf den festen Boden. Von heftigem Schwindel gepackt, taumelte ich und ließ mich, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, zu Boden sinken. Ich lehnte den Kopf nach hinten und empfand den Baumstamm als angenehm kühl.
    Allmählich konnte ich klarer sehen, aber was ich erblickte, heiterte mich nicht auf. Die beiden Zugpferde, noch immer im Geschirr, schienen verletzt und wieherten, ja schrien qualvoll.
    Nicht weit von ihnen lag Peppo, verrenkt und leblos wie eine weggeworfene Puppe. Einer der Männer – der Räuber? – beugte sich über ihn.
    »Was ist mit dem Kutscher?«, fragte ich auf Italienisch, und jedes Wort führte zu neuerlichem Stechen in meinem Schädel.
    Der Fremde ergriff Peppos Kopf und wackelte mit ihm wie mit einer Holzkugel, drehte ihn in jede beliebige Richtung. Dann sah er mich an. Es war ein hartes und doch schönes Gesicht, geprägt von südlicher Männlichkeit und geziert von einem imposanten Schnauzbart mit spitz zulaufenden Enden.
    »Genickbruch«, erklärte der Fremde und lächelte dabei. »Der Sturz vom Bock ist ihm nicht gut bekommen, als unsere Schüsse die Pferde erschreckten. Der Kerl hätte gleich anhalten sollen, als ich ihn dazu aufgefordert habe.«
    Die Gleichgültigkeit, mit der dieser Lump von Peppos Tod sprach, machte mich rasend. Ich verspürte die unbändige Lust, mich auf ihn zu stürzen und ihn windelweich zu prügeln. Aber kaum hatte ich mich von dem Baumstamm abgestoßen und war wankend auf die Beine gekommen, da spürte ich einen harten Schlag am Hinterkopf. Das Letzte, was ich sah, bevor vollkommene Finsternis mich übermannte, war das grinsende Gesicht des schnauzbärtigen Fremden.

    Dieses Gesicht ließ mich nicht los, schwebte über mir, wenn die Finsternis für kurze Momente aufriss. Mal schien es mich neugierig anzublicken, dann wieder spöttisch. Aber meine wachen Momente waren zu kurz und ich noch zu kraftlos, um mir ein wirkliches Bild darüber zu machen, was

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