Engelsfuerst
gewissenhaft
verfolgte.
»Er scheint am Ziel zu sein, Dirigente Donati.«
»Vielleicht macht er nur eine Rast.«
Der grauhaarige Inspektor bediente ein paar Knöpfe und Regler, und der Geländeausschnitt auf seinem
Monitor vergrößerte sich, so daß die Konturen deutlichere Formen annahmen. »Das glaube ich nicht, Dirigente. Dort gibt es eigentlich nichts, was einen Aufenthalt lohnt.«
Donati beugte sich zu dem Bildschirm hinunter, auf
dem der grüne Punkt, in der größeren Auflösung als
kleines Quadrat wahrzunehmen, unentwegt blinkte.
»Geht das nicht etwas genauer? Was gibt es dort?«
Der Carabiniere sah Donati fast entschuldigend an
und sagte nur: »Berge.«
Donati wandte sich an den kommandierenden Offizier der für den Einsatz bereitstehenden GISTruppe, einen drahtigen Mittvierziger mit kerzengerader Haltung. »Maggiore Prioletta, hiermit erteile ich
Ihnen den Einsatzbefehl!«
Der Major nickte knapp. »Wir starten in fünf Minuten.«
Noch nicht einmal fünf Minuten später erhoben
sich die vier Polizeihubschrauber in den Abendhimmel. Alexander und Donati flogen im selben Hubschrauber wie Prioletta.
Der schien, wie auch seine Männer, die Ruhe in
Person zu sein, was nicht verwunderlich war, übten
sie derartige Einsätze doch täglich. Alexander war
einmal Soldat gewesen und wußte, daß nur solch professionelle Gelassenheit, die keinesfalls mit Lethargie
verwechselt werden durfte, es erlaubte, in Gefahrensituationen effektiv zu handeln.
Doch er selbst war alles andere als gelassen, während unter ihnen der Flugplatz zu einem Netz immer
enger zusammenrückender Lichter wurde. Die Sorge
um Elena ließ ihm keine Ruhe.
53
Im Tempel der Ahnen
E
nrico wußte, daß die Stunde der Entscheidung
gekommen war, als Ambrosio, flankiert von
zwei Wachen, das Zelt betrat, in dem er und sein Vater von zwei weiteren Ordenssoldaten bewacht wurden. Wenige Minuten zuvor war ein Wagen im Lager
angekommen, und Enrico hatte gehört, wie der Neuankömmling verlangte, sofort zu General Lampada
gebracht zu werden. Aber er hatte nicht sehen können, um wen es sich handelte.
»Der General will euch beide sehen«, sagte Ambrosio. »Folgt mir!«
Enrico sah seinen Vater an und las Ermunterung in
dessen Blick. Sie hatten gemeinsam gebetet, nachdem
sie ins Lager zurückgebracht und in dieses Zelt gesperrt worden waren. Enrico war so gefaßt, wie er es
nur sein konnte, und doch fragte er sich, als sie Ambrosio nach draußen folgten, ob das genügen würde.
Die Wachen gingen neben und hinter ihnen, so daß
eine Flucht unmöglich war. Die Männer konnten
nicht wissen, daß Enrico und Lucius überhaupt nicht
daran dachten zu fliehen.
Dort in der Höhle, im Tempel der Ahnen, mußte
die Entscheidung fallen. Das war ihnen klargeworden,
nachdem die Bilder aus der Vergangenheit Enrico am
Nachmittag erneut heimgesucht hatten und sie jetzt
wußten, auf welche Weise sich das Schicksal von Vel
und Larthi erfüllt hatte. Die beiden hatten die böse
Macht besiegt, aber nicht endgültig vernichtet. Diesmal, das hatten Enrico und sein Vater sich vorgenommen, sollte es anders sein.
Der Kopilot des Führungshubschraubers empfing einen Funkspruch und gab die Information an Prioletta
weiter. Der wiederum wandte sich zu Donati und
Alexander um.
»Ein Funkspruch von Capitano DelBenes Einsatzgruppe. Sie haben drei Personen aufgegriffen: die vermißte Journalistin, den ebenfalls vermißten Schweizergardisten und einen weiteren Mann.«
»Sie haben Elena gefunden?« rief Alexander, und
sein Herz raste. »Geht es ihr gut?«
»Zumindest sind sie am Leben, mehr weiß ich
nicht«, antwortete der Major. »Sie befinden sich in einem kleinen Dorf in der Nähe von San Gervasio, Borgo del Lago.«
Der Kopilot hatte eine Karte hervorgezogen und
tippte mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle:
Borgo del Lago. Es lag, wie der Name versprach, an
einem See. »Nicht weit von hier, höchstens fünf
Flugminuten«, sagte der Kopilot.
»Wir fliegen hin!« entschied Donati und fügte, an
Alexander gewandt, hinzu: »Denk bloß nicht, wir machen das dir zuliebe! Elena und ihre Begleiter können
uns vielleicht wichtige Hinweise geben.«
»Selbstverständlich, Dirigente , alles streng dienstlich«, antwortete Alexander im Ton eines gehorsamen
Soldaten.
Der Pilot flog eine sanfte Kurve, und durch eins der
Fenster sah Alexander, daß die drei anderen Hubschrauber ebenfalls den Kurs änderten. Zum ersten
Mal seit Elenas Verschwinden fühlte er sich
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