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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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beschäftigte Alexander schon die ganze Zeit,
wenn er an Kardinal Scheffler dachte, und jetzt kam er
endlich darauf. »Kardinal Mandume war ein Engelssohn, aber wie verhält es sich mit Scheffler?«
»Auch er gehörte zum Kreis der Auserwählten«,
bestätigte Custos seinen Verdacht.
»Wieso haben Sie uns das nicht mitgeteilt, Heiliger
Vater?« fragte Alexander, nicht ohne vorwurfsvollen
Unterton. »Es wäre wichtig gewesen!«
»Ein Eid hat mich davon abgehalten. Scheffler war
ein Zurückgezogener.«
»Ein was, bitte?« fragte Alexander nach.
»Ein Zurückgezogener«, wiederholte der Papst, »So
nennen wir Menschen, die sich entschieden haben, unserem Kreis nicht länger anzugehören, obwohl sie
über besondere Gaben verfügen.«
»Und warum hatte Scheffler sich dazu entschlossen?«
»Er hat es mir nie gesagt. Hin und wieder kommt es
vor, daß ein Engelssohn oder ein Auserwählter zu der
Überzeugung gelangt, die Bürde seiner besonderen
Fähigkeiten nicht länger tragen zu können. Mancher
will einfach nur ein normales Leben führen. Wir alle
haben geschworen, denjenigen, die sich aus unserer
Gemeinschaft zurückziehen, keinen Vorwurf zu machen, sie nicht zu behelligen und ihr Inkognito zu
wahren. Übrigens habe ich Scheffler auch nach seinem
Rückzug aus unserem Kreis für einen überzeugten
Vertreter der heiligen Kirche und fähigen Mann auf
dem internationalen Finanzparkett gehalten, sonst
hätte ich ihm die Leitung des IOR nicht anvertraut.«
Alexander verfolgte seinen Gedankengang weiter:
»Wenn ein anderer dafür verantwortlich ist, daß ein
Engelssohn verbrennt, muß dieser andere dann auch
über besondere Kräfte verfügen?«
»Sie meinen, ob er auch ein Engelssohn sein muß?«
vergewisserte sich Custos. »Vermutlich, jedenfalls sehe ich keine andere Möglichkeit. Aber bevor Sie mich
nach Pallottino fragen: Ich weiß nichts über ihn, auch
nicht darüber, ob einer seiner Ahnen ein Engel war.«
Spadone schlug einen blauen Aktendeckel auf. »Ich
habe hier alle Unterlagen, die in der Eile über ihn aufzutreiben waren.«
»Er ist doch der Sohn eines Geistlichen«, sagte
Alexander. »Geben die Akten Aufschluß über die
Identität seines Vaters?«
»So etwas wird natürlich verzeichnet«, erläuterte
Luu, während Spadone eilig Seite um Seite umblätterte. »Wir müssen schließlich ein Auge darauf haben,
daß keiner von unseren Geistlichen … wie soll ich es
nennen?«
»Überproduktiv ist?« schlug Alexander vor.
Luu lächelte verlegen. »So könnte man es wohl bezeichnen. Immerhin kostet jedes Kind eines Klerikers
die Kirche eine Menge Geld.«
»Hier ist es!« rief Spadone und schlug mit der flachen Hand auf die Akte. »Fabio Pallottino ist vor
achtundzwanzig Jahren in Licata auf Sizilien zur Welt
gekommen. Seine Mutter, eine gewisse Maria Pallottino, ist während der Geburt verstorben. Sie hatte als
Köchin für einen örtlichen Priester gearbeitet, der sich
der Kirche gegenüber zur Vaterschaft bekannte und
um finanzielle Unterstützung für seinen Sohn bat. Der
Name dieses Geistlichen ist nur schwer zu entziffern,
warten Sie …«
»Lassen Sie mich raten«, fiel Alexander ihm ins
Wort. »Heißt Pallottinos Vater vielleicht Tommasio
Lampada?«
Spadone blickte erstaunt auf. »Ja, das ist der Name!«
51
In den umbrischen Bergen

E
    in starker Wind fegte über die Anhöhen hinweg,
und dicke Regentropfen klatschten gegen die
Felsen. Enrico und sein Vater waren bis auf die Knochen durchnäßt, aber daran ließ sich nichts ändern.
Daß es den Ordenssoldaten nicht besserging, war für
die beiden kein Trost. Die Abenddämmerung setzte
ein, und zwischen den Felshöhen verschwand schon
das letzte Tageslicht. Wie Kreaturen der Nacht lösten
sich schemenhafte Gestalten von den Umrissen der
Felsen unterhalb von Vater und Sohn, um sich in geduckter Haltung, jede Deckung nutzend, den Hang
heraufzuarbeiten.
»Sie starten den nächsten Angriff«, sagte Enrico,
der über die Kuppe eines knapp mannshohen Felsens
spähte. »Sie ahnen es noch nicht, aber diesmal werden
sie erfolgreich sein.«
»Ist die Munition verbraucht?« fragte Lucius, der
sich so zwischen zwei Felsen gesetzt hatte, daß er wenigstens halbwegs vor dem scharfen Wind geschützt
war.
Enrico blickte zu der Automatik hinunter, die
nutzlos neben ihm auf dem Boden lag. »Bis zur letzten Patrone. Klingt wie der Titel eines Kriegsfilms,
nicht?«
»Wir führen einen Krieg, und du hast dich als mutiger und kluger Soldat erwiesen, mein

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