Engelsfuerst
Vater? Willst du deine Lumpen gegen das Gewand
eines Priesters des Lichts tauschen?«
Enrico sah nicht Tommasio an, als er antwortete,
sondern Lucius.
»Mein Weg ist derselbe wie der meines Vaters!«
»Dann sei es so«, sagte Tommasio und veranlaßte
den Ordensoffizier, die Gewänder wieder auf den
Tisch zu legen. »Ihr habt eure Wahl getroffen, aber
glaubt nicht, das könnte etwas an meinen Plänen ändern. Die Macht, die in euch steckt, wird meinem
Sohn und mir helfen, das Engelsfeuer zu entfachen.
Bald werden Luzifer und seine Getreuen aus der Verbannung erlöst sein und über ihr Königreich herrschen!«
54
Borgo del Lago
L
autes Brummen und Knattern erfüllte den nächtlichen Himmel, als die Polizeihubschrauber wie
ein Schwarm riesiger Raubvögel auf der Suche nach
Beute über dem kleinen Dorf erschienen.
Borgo del Lago lag am Hang eines dichtbewaldeten
Berges und ließ Alexander, der aus dem Führungshubschrauber in die Tiefe blickte, mit seinen hohen
Mauern an eine mittelalterliche Festung denken. In
der Nähe lag der namensgebende See von halbmondförmigem Zuschnitt.
An seinem Ufer erstreckte sich ein freies Gelände,
das durch wohl eilig herbeigeschaffte Scheinwerfer
und die Lichter im Halbkreis aufgestellter Autos beleuchtet wurde: der provisorische Landeplatz, auf dem
bereits ein Hubschrauber stand.
Einer nach dem anderen setzten die auf Ciampino
gestarteten Helikopter auf. Als erster sprang Prioletta
nach draußen, ihm folgte Alexander, der dem durch
seine Prothese behinderten Donati beim Aussteigen
half.
Vor dem bereits gelandeten Hubschrauber erwartete sie Capitano DelBene, den Alexander sofort mit
Fragen bestürmte: »Wo ist Elena? Geht es ihr gut?«
»Die Signorina und die beiden anderen sind im
Dorf, im Haus des Bürgermeisters«, antwortete der
GIS-Offizier. »Ich bringe Sie hin.«
DelBene, Alexander, Donati und Prioletta quetschten sich in den Alfa Romeo des Bürgermeisters, der sie
das kurze Stück zu seinem Haus chauffierte. Dort saßen Elena, Roland Kübler und ein Mann, der zu Alexanders Überraschung eine schwarze Totus-Tuus-Uniform trug, um einen Tisch und aßen dampfende Spaghetti, die die Dame des Hauses zubereitet hatte.
Elena hier sitzen und essen zu sehen war eine große
Erleichterung für Alexander. Und noch leichter wurde ihm ums Herz, als er sie sagen hörte, es gehe ihr
gut.
Für eine ausgedehnte Begrüßung blieb keine Zeit.
Elena, Kübler und der andere Mann, den sie Francesco nannten, erzählten in knappen Worten von dem
Tal mit dem Felsentempel und von ihrer Flucht, womit sie den kurzen Lagebericht ergänzten, den DelBene während der Fahrt ins Dorf gegeben hatte.
Prioletta schüttelte den Kopf. »Engel und Luzifer,
das geht über meinen Verstand. Wenn das wahr wäre,
wie sollten wir mit unseren Waffen dagegen angehen?«
»Das verlangt niemand von Ihnen, Maggiore«, sagte
Donati. »Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann
haben Papst Lucius und sein Sohn es auf sich genommen, das Schlimmste zu verhüten. Wir müssen sie dabei unterstützen, so gut wir eben können. Engel können Sie mit Ihren Waffen nicht erschießen, wohl aber
Menschen, die eine gefährliche Macht beschwören
wollen. Brechen wir also auf zu diesem seltsamen
Tempel der Ahnen! Ich habe nicht den leisesten Zweifel, daß das auch der Ort ist, von dem wir das Signal
empfangen.«
»Darf ich mich mit meinen Männern anschließen?«
fragte DelBene. »Es ist bereits ein Ambulanzhubschrauber auf dem Weg hierher; für die drei ist also
gesorgt.«
»Ich habe keine Einwände«, antwortete Prioletta.
»Nach allem, was ich gehört habe, denke ich, wir
können jeden Mann brauchen.«
»Einverstanden«, sagte auch Donati.
Als Alexander sich zum Gehen wenden wollte,
sprang Elena auf und hielt ihn fest.
»Du willst mit?«
Er zeigte auf die Kevlar-Schutzweste, die er ebenso
wie Donati trug. »Meinst du, die habe ich angezogen,
weil ich sie so schick finde?«
»Aber du bist kein Polizist! Warum willst du dich
in Gefahr begeben?«
»Um unserem Freund Enrico zu helfen. Und um
den Machenschaften von Totus Tuus ein für allemal
ein Ende zu bereiten. Dieser Orden treibt sein Unwesen schon viel zu lange. Vergiß nicht, daß mein Vater
einst der Ordensgeneral war. Ich fühle eine Art familiärer Verpflichtung, dabei zu sein.«
»Paß aber gut auf dich auf, Alex!«
Er nickte und angelte unter Weste und Jacke nach
dem Pooh-Bären, den er seit seinem Besuch in Elenas
Wohnung bei sich
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