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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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war. Aber sie hatte den Schlüssel
noch nie benutzt, um ohne Ankündigung vorbeizukommen.
»Laura!« sagte Elena so ungezwungen wie möglich.
»Was machst du hier um diese Zeit?«
»Ich wollte nach dir sehen. Wie sollte ich mir keine
Sorgen um dich machen? Das geheimnisvolle Treffen
draußen bei Sant’Anna war nicht ungefährlich, aber
du scheinst es heil überstanden zu haben. Soll ich
mich darüber freuen?«
»Wie meinst du das?« fragte Elena, die abwartend
im Türrahmen stehenblieb.
»Mir hast du gesagt, daß niemand etwas von dem
Treffen erfahren darf und daß du ganz allein nach
Sant’Anna willst. Statt dessen bist du mit einer kleinen
Streitmacht dort erschienen. Zumindest mit der Hälfte
einer kleinen Streitmacht. Die andere Hälfte hat meine
Wohnung gestürmt, als sei sie die Rote Armee und
mein bescheidenes Heim der Führerbunker 1945.
Kannst du mir das erklären?«
Laura schlug einen lockeren Plauderton an, aber
was sie sagte, ließ keinen Zweifel daran, daß sie Elena
durchschaut hatte.
Elena seufzte schwer, sie war zu abgespannt für dieses Duell. »Lassen wir das Katz-und-Maus-Spiel, Laura. Sag mir einfach, was du von mir willst!«
»Ich wüßte gern, wie man sich fühlt, wenn man seine Freundin verraten hat.«
»Das fragst du mich?« empörte sich Elena. »Das
müßtest du doch am besten wissen! Seit wann belügst
du mich? Du hast von meiner Verabredung mit Picardi gewußt und von Emilio Petti. Und du warst in die
Sache bei Frana eingeweiht. Bei jeder dieser Gelegenheiten ist jemand zu Tode gekommen! Tust du das alles für Geld oder wofür sonst?«
»Für Geld?« Ein geringschätziger Ausdruck trat auf
Lauras Gesicht. »Geld ist mir noch nie wichtig gewesen. Wie schlecht kennst du mich?«
»Das habe ich mich in den vergangenen Stunden
immer wieder gefragt.«
»Du sollst Antworten erhalten auf deine Fragen,
aber nicht hier. Vor uns liegt eine lange Autofahrt, viel
Zeit für ein Gespräch.«
»Eine Autofahrt? Wohin?«
»Ich sagte doch gerade, unterwegs haben wir Zeit
genug zum Reden.«
»Ich denke nicht, daß ich mit dir irgendwohin fahren will, Laura. Nicht nach dem, was gewesen ist.«
Während Elena sprach, schob sie beiläufig die rechte Hand in ihre Jackentasche, wo die kleine Pistole
steckte. Aber Laura war schneller. Ein rascher Griff in
ihre offene Handtasche, und sie richtete eine Waffe
auf Elena, die derjenigen, die sie Elena am Nachmittag
gegeben hatte, vollkommen glich.
»Ich habe das Loch in deiner Jacke gesehen. Du
hast geschossen, nicht wahr?«
Elena nickte. »Zum Glück war Stelvio aufgefallen,
daß du die Waffe mit Platzpatronen geladen hattest.
Deinen einäugigen Freund habe ich mit scharfer Munition erwischt.«
Laura machte eine knappe Bewegung mit ihrer Pistole. »Die hier ist auch scharf geladen. Also mach
keine Dummheiten. Denk immer daran, in deinem Interesse und in dem deines Kindes!«
»Okay, keine Dummheiten«, sagte Elena resigniert.
»Gut, dann nimm die Pistole mit spitzen Fingern
heraus, aber ganz langsam, und leg sie ebenso langsam
auf den Tisch!«
Elena gehorchte, und Laura kassierte die Waffe mit
einer lässigen Bewegung ein, um sie in ihrer Handtasche zu verstauen.
Dann erhob sie sich. »Wir verlassen deine gemütliche Wohnung jetzt. Du gehst vor mir die Treppe runter. Und denk immer an dein Kind!«
Auch jetzt gehorchte Elena. Laura wirkte so ruhig
und selbstbewußt, daß es unmöglich schien, ihr zu
entkommen. Jedenfalls im Augenblick. Vielleicht, das
war Elenas ganze Hoffnung, gab es bei der Autofahrt
eine Gelegenheit zur Flucht.
Die Straße vor dem Haus war menschenleer. Aber
selbst wenn sie Passanten begegnet wären, hätte Elena
es kaum gewagt, um Hilfe zu rufen. Nicht, solange
Laura die Pistole auf ihren Rücken gerichtet hielt.
Sie gingen ein paar Schritte bis zu einem dunklen
Audi, der, nicht ganz vorschriftsmäßig, halb in einer
Einfahrt stand. Per Fernbedienung entriegelte Laura
das Fahrzeug.
»Glaub bloß nicht, Stelvio und seine Polizeifreunde
könnten den Wagen aufstöbern. Ich habe ihn über einen der Tarnnamen angemietet, die wir beim Messagero benutzen, wenn wir verdeckt recherchieren. Nichts
weist darauf hin, daß Laura Monicini diesen Wagen
hat. Steig ein, Elena, du fährst!«
Elena drehte sich zu Laura um. »Wohin?«
»Nach Norden, mein Schatz, in die Berge.«
35
San Gervasio

D
    ie nächtliche Stille des Klosters wurde von einem lauten Brummen gestört. Motorengeräusch. Stimmen und Schritte sorgten für noch

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