Engelsgrab
zum Konferenzsaal, der ihnen als Raum zur Beweissammlung diente. Der Geruch eines Parfums stieg ihm in die Nase. Es war ein berauschender Duft, den er wiedererkannte und der die Frau verkörperte, die ihn trug: ebenso teuer, auffallend, begehrenswert und unerreichbar.
Bei seinem Anblick stand eine hochgewachsene attraktive Frau Anfang dreißig auf. Brady registrierte ihr graues Wollkleid im Stil der Fünfzigerjahre, den Gürtel, der ihre schmale Taille betonte, die haushohen Designerstöckelschuhe und die geschwungenen Hüften, die sich aufreizend wiegten, als sie ihm entgegenkam.
Dr. Amelia Jenkins rang sich ein Lächeln ab.
»Wie nett, dass Sie uns die Ehre erweisen«, begrüßte sie ihn spitz.
Ihr glänzendes rabenschwarzes Haar trug sie in einem kurzen Bob. Er umspielte ihre hervorstehenden Wangenknochen, als sie sich zu Adamson umdrehte, der an dem langen Konferenztisch saß.
Ihm schenkte sie ein strahlendes Lächeln. »Aber Robert hat Sie ganz fabelhaft vertreten.«
Brady beschloss, seine Meinung über den fabelhaften Vertreter für sich zu behalten. Er sah die überhebliche Miene des DS und hätte ein Monatsgehalt darauf verwettet, dass er seine Zeit mit Jenkins bestens genutzt hatte.
»Er hat mir einiges über Sie erzählt«, fuhr Jenkins fort.
»Da bin ich mir sicher.« Brady nickte Adamson zu.
Er würde Adamson nie leiden können und war sich sicher, dass es ihm ähnlich ging. Trotzdem passte es ihm nicht, dass die beiden hinter seinem Rücken über ihn geredet hatten. Er wollte Adamson einfach los sein. Doch der schien dabei zu sein, sich hier häuslich einzurichten. Wahrscheinlich käme er eines Tages ins Revier und müsste feststellen, dass Adamson sein Büro übernommen hatte.
Mit einem Wink bedeutete Brady Adamson aufzustehen. »Ich möchte, dass Sie mit Harvey und den Eltern der Ermordeten zum Rake Lane Hospital fahren. Harvey wird Ihnen alles Nötige erklären. Die Eltern kommen mit, um die Leiche zu identifizieren.«
Adamson blieb sitzen. »Ist es nicht vernünftiger, wenn ich hier an der Ermittlung weiterarbeite, statt meine Zeit als Anstandsdame zu verplempern?«
Brady hob die Brauen.
»Ich dachte, ich wäre deutlich gewesen«, erwiderte er bestimmt. »Und noch etwas, Adamson.«
Adamson schaute verächtlich.
»Wenn Angehörige ein Mordopfer identifizieren, ist jede ihrer Reaktionen für uns von Bedeutung. Sollten Sie meinen Auftrag nur als Pflichtübung betrachten, haben Sie etwas sehr Wesentliches noch nicht erfasst.«
»Ach ja?«, fragte Adamson höhnisch. »Sie müssen ja tolle Erwartungen an die Eltern haben. Soweit ich weiß, hat die Tote nicht einmal mehr ein Gesicht.«
»Mich interessiert ihre Reaktion auf die Tätowierung«, erwiderte Brady verstimmt. Als er hörte, dass hinter ihm die Tür aufging, drehte er sich um.
Conrad kam leise herein und blieb befangen stehen, als er Amelia Jenkins erkannte, die ihn keines Blickes würdigte, sondern interessiert den Schlagabtausch zwischen Brady und Adamson verfolgte.
Brady wandte sich um, sah, dass Jenkins’ Augen auf ihn gerichtet waren, und dachte an seine Therapiestunden zurück. Auch da hatte er den Eindruck gehabt, dass sie ihn belauerte und nur darauf wartete, dass er sich daran machte, sein Seelenleben vor ihr auszubreiten. Seine Kindheit war ihr Lieblingsthema, aber da lief sie bei ihm gegen eine Wand. Zu guter Letzt, als es ihm reichte, brach er die Sache ab und erklärte, er wolle seine Probleme lieber auf die altmodische Art lösen: mit einer Flasche Scotch. Das war vor mehr als fünf Monaten gewesen. Seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen.
Brady schaute zu Adamson hinüber, der bei dem Wort »Tätowierung« so anzüglich gegrinst hatte, als dächte er an die verborgene Stelle, an der sie sich befand.
»Ziehen Sie los, Adamson«, trug Brady ihm auf. »Sonst sind Sie raus aus meinem Team.«
»Und auf wessen Befehl?« Adamson sah Brady kampfeslustig an.
»Auf meinen. Das ist immer noch meine Ermittlung, ganz gleich, was Sie denken. Aber Sie haben die Wahl. Entweder Sie befolgen meine Anordnungen, oder Sie fahren nach North Shields zurück.«
Adamsons Augen begannen wütend zu funkeln und teilten Brady mit, dass die Sache für ihn noch nicht erledigt war.
»DCI Gates steht hinter mir«, fügte Brady hinzu. »Das nur für den Fall, dass Sie loslaufen und sich bei ihm ausweinen wollen.«
Adamson presste die Lippen aufeinander, stand wortlos auf, strich seine Krawatte glatt und streifte sein Jackett über.
»Sonst
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