Engelsgrab
alte Bauernhof war eindeutig ein beliebter Treffpunkt für die hiesigen Kids.
Ainsworth blieb stehen und deutete auf den Drogenmüll. »Die Eltern würden kopfstehen, wenn sie wüssten, was ihre Brut hier nachts so treibt.«
Ainsworth denkt wie ich, ging es Brady durch den Kopf. Wahrscheinlich bin ich deshalb auch der Einzige, der ihn leiden kann. Beide verachten wir die sogenannte Zivilisation oder zumindest das, was aus ihr geworden war. Und es tat nichts zur Sache, wo die Kids herkamen, aus Sozialwohnungen oder der vermeintlich guten Gegend. Nachts streunten sie umher, betranken sich, kifften und schlugen sich in die Büsche. Nicht einmal Tiere benahmen sich so ohne jeden Sinn und Verstand.
Inzwischen waren sie am Tatort angelangt. Brady schaute sich um. Die Bäume rundum hatten dem Mörder Schutz geboten, vorausgesetzt, er hätte da gestanden und auf Sophie Washington gewartet.
Brady entsann sich der einzigen Zeugenaussage, die sie bislang hatten. Kurz vor seinem Aufbruch hatte er sie überflogen. Sie stammte von der Frau, die ihren Hund hier frühmorgens ausgeführt hatte, eine Geschiedene, Anfang fünfzig, die mit ihrem schwarzen Labrador Morgen für Morgen durch diese verlassene Gegend lief und anschließend zur Arbeit bei Sainsbury’s fuhr. Der Hund hatte die Leiche aufgespürt, und sie hatte den Notruf der Polizei mit ihrem Handy gewählt. Als Täterin kam sie nicht infrage. Die Frau war vollkommen hysterisch gewesen. So verhielten sich Menschen, die nichts ahnend über eine grausam zugerichtete Leiche stolpern und kaum Worte finden, das Erlebte zu schildern. Unglücklicherweise hatte sie vor ihrem Fund sonst niemanden gesehen oder gehört.
»Ein Augenzeuge wäre nicht schlecht«, sagte Ainsworth, als hätte er Bradys Gedanken gelesen. »Aber darauf hoffen würde ich nicht.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Brady verdrossen. »Nicht zu der frühen Stunde und bei dem Wetter.«
»Was nicht heißt, dass nicht doch jemand etwas gehört hat«, erwiderte Ainsworth.
»Vielleicht«, murmelte Brady.
Er ließ seinen Blick über den Feldweg zur Straße schweifen. Die Straße selbst war kaum zu erkennen, lediglich die Verkehrsampeln und der Bahnhof.
Eine Frau von der Spurensicherung näherte sich ihnen zögernd, und Ainsworth fuhr herum. »Was ist denn jetzt schon wieder?«, blaffte er. »Soll ich jemanden am Händchen nehmen oder den Hintern abwischen, oder was ist los?«
Brady ignorierte ihn und trat auf die Frau zu. »Haben Sie etwas gefunden?«
»Gefunden, gefunden«, höhnte Ainsworth. »Fasern von Matthews’ Jacke haben wir gefunden, denn der Schwachkopf ist gekommen und hat hier alles versaut.«
Brady zuckte mit den Schultern.
»Wenn ich Jimmy Matthews in die Finger bekomme, erwürge ich ihn mit bloßen Händen.«
Da musst du dich aber hinten anstellen, dachte Brady.
»Sei’s drum«, fuhr Ainsworth leiser fort. »Wir haben genügend Blut und Hautreste gefunden, um zu wissen, dass das Gesicht hier an dieser Stelle bearbeitet worden ist.«
Brady hatte mit nichts anderem gerechnet. Sophie Washingtons Leiche war nicht hierhergeschafft worden. Der Bauernhof war der Tatort.
»Nur die Waffe haben wir noch nicht. Aber falls sie hier irgendwo liegt, werden wir sie noch entdecken. Nach den Spuren, die ich unter dem UV-Licht erkannt habe, handelt es sich um einen der herumliegenden Schuttbrocken.«
»Was ist mit ihrem Handy?«, fragte Brady.
Ainsworth schüttelte den Kopf.
»Wenn wir es finden, sage ich Ihnen Bescheid.« Ainsworth deutete auf die Spurentechnikerin. »Gehen Sie mit Fielding. Sie wird Ihnen etwas Interessantes zeigen.«
Brady verspürte plötzlich ein aufgeregtes Kribbeln; es war lange her, seit er das letzte Mal so empfunden hatte.
»Was stehen Sie hier noch rum?«, herrschte Ainsworth seine Mitarbeiterin an. »Oder warten Sie darauf, dass zuerst noch eine Blaskapelle kommt?«
Brady wollte Ainsworth noch eine Frage stellen, doch der stapfte bereits davon.
Brady zuckte mit den Achseln und folgte Fielding in Richtung Feldweg.
»Wie halten Sie nur einen Chef wie Ainsworth aus?«, fragte er, als er mit ihr auf einer Höhe war. Sein Bein machte ihm wieder zu schaffen, aber er gab sich Mühe, nicht zu hinken.
»Eigentlich ist er gar nicht so übel«, erwiderte sie und zog sich ihre Schutzmaske ab. »Und an seinen Ton gewöhnt man sich mit der Zeit.«
»Mit dem Ding hier kann ich kaum atmen«, fuhr sie mit einem Blick auf die Schutzmaske fort.
Dann schob sie die Kapuze ihres weißen
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