Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
Apartmenthaus voll reicher alter Männer. Das Schlimmste, das mir passieren kann, ist, dass sie mir auf den Arsch starren. Stephan Amaryllis rechnet nicht damit, dass ich bei ihm auftauche. Vielleicht ist er nicht mal zu Hause und ich kann in Ruhe sein Penthouse durchwühlen. Falls er doch da ist, werden wir ein bisschen plaudern und der Rest findet sich.“
Es klang ganz einfach, wenn sie darüber sprach. Doch er wusste, dass das nicht stimmte. Stephan Amaryllis war ein gefährlicher Mann. Gabriel konnte nicht genau festmachen, warum er das glaubte. Es war einfach sein Bauchgefühl und die Annahme, dass jemand mit Amaryllis’ Ambitionen nicht einfach auszutricksen war.
Hinter ihnen brandete ein Disput auf. Er drehte den Kopf und sah eine mexikanische Familie, die über das Fernsehprogramm debattierte. Eine übergewichtige Frau in viel zu engen Jeans stand auf und streckte sich nach dem Fernseher, um durch die Sender zu schalten. NBC, Fox, History Channel, dann blieb sie bei einem Gottesdienst hängen und drehte den Ton lauter. Ein Choral schallte aus den Lautsprechern. Das Denny’s war so gut wie leer. Niemand der anderen Gäste erhob Einspruch.
„Vertrau mir, okay?“ Violet griff nach seiner Hand und hielt sie fest.
Ihre Berührung machte es nur schlimmer. Mühsam hielt er seine Beherrschung aufrecht. „Ich möchte dich begleiten“, sagte er mit erzwungener Ruhe.
„So funktioniert das nicht, Gabriel.“
„Aber ich kann wenigstens in der Nähe sein, falls etwas passiert.“
„Ja“, stimmte sie nach kurzem Überlegen zu. „Das könntest du.“
Der Choral verstummte und ein Prediger erhob seine Stimme. Der weiche, kultivierte Klang traf ihn wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Er fuhr so heftig herum, dass er mit dem Arm seinen Kaffeebecher umstieß.
„Alles okay?“, hörte er Violet fragen.
Sein Blick wurde wie magisch angezogen von diesem Gesicht, den fahlen Augen hinter goldgerahmten Brillengläsern. Mit den Ereignissen der letzten Nacht waren Carl und Etherlight aus seinem unmittelbarem Fokus geglitten, doch Carls Stimme riss sofort diesen elementaren Hass auf, der nach Blut und Rache verlangte.
„Gabriel!“
Der Tonfall in Violets Stimme grub sich in sein Bewusstsein wie ein Anker und hinderte es, weiter abzudriften. Tief holte er Atem.
„Was ist los?“
Er machte eine Bewegung zum Bildschirm und Violets Blick glitt nach oben, über ihn hinweg.
„Ein Fernsehprediger“, sagte sie ratlos.
„Sein Name ist Carl.“
„Carl ...“ Sie starrte ihn an. Verstehen trat in ihren Blick, im gleichen Moment, da sie den Namen wiederholte. „Shit. Der Oberpriester von Etherlight?“ Sie stand auf und trat näher an den Fernseher.
Die Apokalypse ist ein brüllender Feuersturm, Sein Zorn über die Abtrünnigen. Ihr, die ihr den wahren Glauben vergessen habt und eure Brüder, die den falschen Versprechungen derer folgen, die sich als Gottes Diener ausgeben, doch sein Gesetz in Wahrheit verhöhnen! Fallt nun auf die Knie und badet im Licht seiner Gnade, oder seid auf ewig verdammt!
„Wer hört sich diesen Schwachsinn an?“ Violet drehte sich zu ihm zurück. Die übergewichtige Mexikanerin schoss ihr einen giftigen Blick zu.
Etherlight ist das Licht. Etherlight lauscht Gottes Worten. Und ich sage euch, noch ist es nicht zu spät. Kommt und lauscht der Wahrheit des Herrn und lasst euch von euren Herzen leiten. Lasst uns genügend Herzen sammeln, um Sein Herz zu erweichen, auf dass er seine Streiter schickt, um die Stätten der Menschheit gegen das Böse zu verteidigen
.
Sie warf ihre Serviette in die Kaffeepfütze. „Das war der Kerl, der dich gefoltert hat?“
„Er ist ein Psychopath“, murmelte Gabriel.
„Hast du von dem Anschlag auf ihr Wüstendomizil gehört?“ Violet klaubte eine Blaubeere von ihrem Teller. „Natürlich“, korrigierte sie sich. „Ich habe es dir ja gestern erzählt.“
Gabriel versuchte, eine ausdruckslose Miene aufzusetzen. Er hatte ihr nichts von seiner Rolle bei diesem Anschlag gesagt. Noch immer fragte er sich, wie die Etherlightguerillas von dem bevorstehenden Angriff hatten wissen können. Noch eine Frage ohne Antwort. Doch darum würde er sich kümmern, wenn er Thomasz gefunden hatte.
Alles zu seiner Zeit.
18
D
as Dolce & Gabbana Kleid passte wie angegossen. Jedenfalls beinahe. Es spannte ein wenig über dem Hintern, aber Violet kam zu dem Schluss, dass das der Sache dienlich war.
Der Beinschlitz sah spektakulär aus und das Dekolleté war zum
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