Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
Wahrheit war. Er setzte die Regeln ihres früheren Lebens außer Kraft. „Ich will wissen, was für ein Mensch du bist.“
„Kein Mensch.“ Er senkte den Kopf und küsste ihre Mundwinkel. „Damit fängt es schon mal an.“
Violets Atem strich an seiner Schulter entlang. Gabriel lauschte ihrem Herzschlag und sah zu, wie die Sterne am Himmel in der Morgendämmerung verblassten. Das Feuer war heruntergebrannt. Die Nachtluft, kalt und klar, roch nach Salz und dem harzigen Duft der Creosotebüsche.
Das Klingeln des Handys brachte die Realität zurück in den unwirklichen Morgen. Er schälte sich aus den Decken und tastete nach seiner Jacke, die ein Stück entfernt lag. Die Kälte ließ ihn schaudern. Violet regte sich und wandte ihm den Kopf zu.
„Ich dachte, hier draußen gibt es keinen Empfang?“, murmelte sie schläfrig.
„Wie es aussieht, doch.“ Endlich fand er das Telefon und presste es ans Ohr. „Ja?“
„Wir haben diese Daten entschlüsselt“, begrüßte ihn Cyric. „Die Adresse von Doktor Arnolds haben wir auch. Leider war er nicht zu Hause.“
„Okay.“ Mit der freien Hand fasste er nach seiner Jeans. „Überwacht jemand sein Apartment?“
„Ja, aber ich weiß nicht, ob es viel bringt. Er ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen. Seine Frau ist in Panik.“
„Dann weiß er, was die Stunde geschlagen hat.“ Gabriel schüttelte den Sand aus seinem T-Shirt. „Er wird den Kopf unten halten.“
Nach einem kurzen Schweigen fuhr Cyric fort: „Katherina reißt mich übrigens in Stücke, wenn sie mitkriegt, dass wir weiter an der Sache dran sind. Die anderen fangen an, sich Sorgen zu machen. Erik ist eigentlich froh, dass wir Arnolds nicht finden konnten.“
„Ich weiß.“ Er warf einen Blick zu Violet. „Wir brauchen einen handfesten Beweis, dass unsere Leute noch am Leben sind.“
Gabriel musste an sich halten, um nicht zu schnell zu fahren. Die zeitlose Leichtigkeit der Nacht war einer nervösen Rastlosigkeit gewichen, die ihn schier auffressen wollte.
Auf ihrem Weg zurück stoppten sie in einem Nest am Sierra Highway, das nur aus Tankstellen, zwei Motels und einer Handvoll Schnellrestaurants bestand. Sie fanden ein Denny’s, das annehmbaren Kaffee und Pancakes mit Blaubeeren servierte. Während sie frühstückten, beobachteten sie einen endlos langen Güterzug, der im Schritttempo durch die Stadt rollte. Violet versuchte, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, doch er war zu angespannt, um mehr als einsilbige Antworten zu geben. Schließlich schob sie ihren Teller zurück und ließ die Gabel auf den Tisch fallen.
„Was ist los mit dir?“
Er dachte einen Moment nach und entschied, dass es keinen Grund gab, sie anzulügen. „Ich mache mir Sorgen.“
„Wegen deines Vaters?“
Gabriel schüttelte den Kopf. Sie kam nicht einmal auf die Idee, dass sie es war, um deren Sicherheit er sich sorgte. „Heute Abend willst du in Stephan Amaryllis’ Apartment einbrechen und niemand kann voraussagen, was passiert.“ Er umklammerte die Kanten des Tisches und beugte sich vor. „Alles in mir schreit danach, dich von diesem verrückten Plan abzubringen. Ich würde dich am liebsten an Händen undFüßen fesseln und in einen ausbruchsicheren Raum sperren. Weil ich weiß, dass ich es dir nicht ausreden kann.“ In Violets Augen trat ein wachsamer Ausdruck, doch sie unterbrach ihn nicht. „Auf der anderen Seite weiß ich, dass es meine einzige Chance sein könnte, Thomasz rechtzeitig zu finden. Deshalb zerbreche ich mir den Kopf, wie ich dieses Dilemma lösen kann. Es macht mich wahnsinnig. Ich bin ...“
„Du fühlst dich schuldig“, fiel sie ein. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. „Weil du tausend Jahre Ethik nicht einfach abstreifen kannst. Männer müssen Frauen beschützen. Darum geht es, nicht wahr?“
Er fühlte sich ertappt. „Vielleicht“, gab er zu.
„Und du denkst nicht, dass ich mich meiner Haut erwehren kann?“ Ihr Lächeln wurde breiter und einen Hauch hinterhältig. „Wer hing zuletzt in Ketten in einem Kellerloch und musste gerettet werden?“
„Das war etwas anderes.“
„Ja, das war etwas anderes, da hast du recht.“ Sie hob eine Augenbraue. „Im Gegensatz zu dem, was ich heute Abend vorhabe, war es nämlich ziemlich gefährlich. Aber ich war zum Glück acht Jahre bei der DEA und habe mich mit Straßendealern geprügelt. Da ist ein bisschen was hängen geblieben, okay?“ Sie seufzte. „Gabriel, der Ebony Horse Club ist ein
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