Engelskraut
nur einiges von Giftpflanzen, sondern auch von Computertechnik verstand. Sie hatte ihr Opfer via Internet zu einem Blind Date in den Paradiesgarten bestellt, offensichtlich mit der Absicht, ihn zu vergiften. Vielleicht hatte sie ihm das Gift in einer Art Liebestrank gereicht. Ein Prost auf unser Kennenlernen – und er hatte arglos getrunken. Höchstwahrscheinlich hatte sie ihn bei seinem Todeskampf beobachtet. Da es Nacht war und beide sich auf abgesperrtem Gebiet befanden, konnte sie sicher sein, dass das Geschehen unbeobachtet blieb.
Noch hatten Franca und ihre Kollegen keine rechte Erklärung dafür, weshalb Klaussner ausgerechnet auf einem der Giftkreise mit ausgestreckten Armen und Beinen lag. Dies war genauso rätselhaft wie das Motiv.
Die Täterin kannte sich im Netz aus. Sie nutzte etliche Foren und Portale, dort war sie unter verschiedenen Nicknames registriert, unter anderem unter den Namen Mandragora und Alraune. Diese Profile waren inzwischen allerdings gelöscht worden.
Ihre wahre Persönlichkeit ausfindig zu machen, war äußerst schwierig, hatte sie sich doch Alfred Mendiges’ ungesichertem WLAN-Anschluss bedient, den praktisch jeder nutzen konnte, wenn er sich in einem bestimmten Umkreis befand.
Es gab etliche Fotos von ihr, allerdings waren diese höchst unterschiedlich, was bedeutete, dass sie äußerst wandlungsfähig war. Oder aber, dass sie fremde Fotos benutzt hatte, die sie irgendwo heruntergeladen hatte. Einmal war ihr Haar dunkel und kinnlang, ein andermal blond gelockt. Auf sämtlichen Fotos hatte sie darauf geachtet, dass ihr Profil in einem ungewöhnlichen Blickwinkel aufgenommen wurde. Ihre verfremdeten Züge sagten wenig über ihr Alter aus.
»Gehen wir davon aus, dass wir es mit einem Stalker zu tun haben. Und zwar einem weiblichen Stalker.« Es war Osterkorn, der diese Vermutung, die die ganze Zeit im Raum hing, aussprach. »Und gehen wir davon aus, dass Jürgen Klaussner nicht ihr einziges Opfer ist.«
Franca dachte daran, dass sie erst vor Kurzem mit Ludmilla über dieses Phänomen gesprochen hatte, mit dem die Polizei in verstärktem Maße konfrontiert wurde. Durch die modernen Kommunikationsmedien waren die Spielarten des Stalking vielfältig geworden. Stalker bewegten sich an der Grenze zwischen Liebe und Wahnsinn. Davon konnte man auch im vorliegenden Fall ausgehen. Sie wollten Aufmerksamkeit. Es ging um Besitz, um Macht und Kontrolle. Bei Stalkern handelte es sich oftmals um Menschen mit mangelndem Selbstwertgefühl. Sie waren unglücklich und leicht kränkbar. Und sie litten unter Realitätsverlust. Sie ließen sich absurde Dinge einfallen, wobei sie ihre Taten als vollkommen rechtmäßig ansahen. Grenzüberschreitungen waren die Folge. Es gab wesentlich mehr belästigende und nachstellende Männer als Frauen, wobei Stalking aber lediglich ein neuer Name für eine alte Krankheit war.
»Ich frage mich die ganze Zeit, was diese Typen davon haben«, bemerkte Clarissa.
»Stalker leben in einer für uns unverständlichen Welt«, antwortete Hinterhuber. »Wenn sie den anderen belästigen, gibt es ihnen das Gefühl von Größe – und der andere wird klein. Vielleicht hat sich der andere arrogant verhalten – durch das Stalking wird er in seine Schranken verwiesen. Nur, was genau in so einem kranken Kopf vorgeht, das wird niemand so recht nachvollziehen können.«
»Für diese kranken Hirne gibt es schier unendliche Möglichkeiten, sich auszutoben«, fügte Renate Julien an. »Mir ist ein Fall bekannt, da hat eine rabiate Frau die Handynummer ihres Ex an die Kabinentür in einer Schwulenbar geschrieben.«
Gelächter brach aus.
»Rache ist Blutwurst«, sagte jemand.
Franca sah in die heiteren Gesichter ringsum. Ihr war nicht zum Lachen zumute.
»Töten Stalker ihre Opfer?«, fragte Clarissa.
»Das ist eher selten. Aber es kann natürlich vorkommen.«
»Die moderne Technik macht es dem Stalker ziemlich einfach. Die Täter nutzen aus, dass man heutzutage relativ anonym agieren kann. Man kann sich einfach an offene, nicht gesicherte WLAN-Netze hängen. Oder operiert von einer ausländischen Adresse aus, die nicht geroutet werden kann. Es gibt immer noch sehr unvorsichtige User, die ihre WLAN-Zugänge nicht verschlüsseln. Der Radius beträgt oft mehrere Hundert Meter. Da können sich jede Menge Unbefugter einwählen. Man braucht also gar nicht bis ins Ausland zu gehen, um unbemerkt Unfug zu treiben. Und der Betrüger kann in der Regel kaum erwischt werden, weil nur
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