Engelsleid (German Edition)
ihr an. Der Klang seiner Stimme rief bei ihr die Eri n nerung an ihre leidenschaftliche Nacht herauf. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Ihre Gefühle waren vollko m men durcheinander. Es galt möglichst schnell herauszufinden, ob sie für ihn mehr als für einen kurzweiligen Geliebten empfand. War dies nur ein Abenteuer von begrenzter Dauer?
Der Conte war nicht der E inzige, der sich nach Lauras Befi n den erkundigte. Auch Dominic zeigte sich besorgt. Zwar war er zu ihrer Enttäuschung nicht mehr vorbeigekommen, a n geblich hielt ihn ein neuer Fall auf Trab, aber er rief jeden Morgen und Abend an, um zu hören, wie sie sich fühlte. Über den Tod ihrer Mutter sprachen sie dabei nicht mehr. Laura befand, wenn es etwas Neues gäbe, würde Dominic es ihr ohnedies erzä h len, also fragte sie nicht, und sie war froh, dass er das Thema nicht a n schnitt. B ei jedem Telefonat schlug ihr Herz schneller. Für wen von beiden würde es sich letztlich entscheiden? Den leidenschaf t lichen, aber egozentrischen Conte oder den einfühlsamen und bodenständigen Kommissar?
Die beiden Männer und die Recherchen für ihren Reisebericht waren jedoch nicht alles, was Laura beschäftigte. Nach wie vor rätselte sie, was es mit dem geheimnisvollen Erbe und dem übe r raschenden Geldsegen auf sich hatte. Fürs Erste befand sie, alles im Schließfach zu belassen, das nun auf ihren Namen registriert war. Es blieb ihr zu wenig Zeit, sich darüber Gedanken zu m a chen. Etwas Abstand würde ihr helfen, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Wenn sie aus Italien zurück war, würde sie alle Unte r lagen, die sie aus der Wohnung ihrer Mutter mitgenommen hatte, und die nun in einer Kiste ihrer weiteren Verwendung harrten, noch einmal gründlich durchsehen. Vielleicht würde sie dann verstehen, was für ein Geheimnis ihre Mutter mit sich herumg e tragen hatte.
Am Nachmittag hatte sie am Grab gestanden und auf die be i den Namen auf dem Grabstein gestarrt.
Hier ruhen in Frieden
Karl Dennerwein
Beatrice Dennerwein
Ruhten ihre Eltern wirklich in Frieden? Wie war das – dort – auf der anderen Seite?
Ihren Vorsatz, bei jedem Besuch mit ihrer Mutter zu sprechen, einfach vorauszusetzen, dass sie da irgendwo in der Nähe war und ihrer Tochter zuhörte, schaffte sie nicht umzusetzen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Wieder zu H ause , begann sie sich mit Packen abzulenken. Morgen war es so weit. Der Trolli stand bereit im Flur, daneben das Kosmetikköfferchen und die Laptop t asche, eine weitere T a sche mit einer Wasserflasche, belegten Broten und Obst für u n terwegs. Laura war kein Freund von Fast F ood in Tankstellenre s taurants, obwohl sie dort nach dem Tanken gerne einkehrte, um einen E s presso zu trinken. Mehr jedoch nicht.
Es war schon nach acht, als es an der Tür läutete. Barfuß und wenig begeistert über die späte Störung , betätigte Laura den Knopf der Gegensprechanlage.
» Hallo? Wer ist da? «
» Lässt du mich rein? «
Statt zu antworten drückte sie den Türöffner. Im Türrahmen stehend wartete sie, bis Dominic die Treppe , zwei Stufen auf ei n mal nehmend , hinaufgespurtet war.
Er begrüßte sie wie einen guten alten Freund mit einem Kuss auf beide Wangen. » Hallo , Laura, wie geht’s ? « Ihre Koffer beme r kend, hielt er inne und zog die Augenbrauen hoch. » Du ve r reist? «
Der Unterton in seiner Stimme hörte sich an, als sei sie ve r pflichtet, ihn über ihre Aktivitäten in Kenntnis zu setzen. Nahm er sich da nicht ein bisschen viel heraus?
» Ja, hatte ich dir das nicht erzählt? Ich soll für unser nächstes Sonderheft über Italien vor Ort recherchieren. Ich fahre in die Gegend von Viterbo, nördlich von Rom. «
» Aha. « Forschend schaute er sie an. Du meine Güte, diese A u gen. Sie haben eine fast hypnotische Kraft. Frag mich etwas und ich werde dir bereitwillig Auskunft geben. Laura zwang sich, stattdessen auf seinen Mund zu schauen. Aber das war nicht w e niger verwirrend, denn der Anblick seiner Lippen, wie sie sich beim Reden bewegten, raubte ihr genauso die Konzentration. Im Gegensatz zu Giuseppes eher schmalen bläulichen Lippen, die zu einem zynischen Ausdruck tendierten, waren Dominics weich und wohl geformt, sinnlich und von gesunder rosiger Farbe. Laura fühlte den unwiderstehlichen Drang, ihn zu küssen.
» Ist das alles? «
Verdammt, was meinte er?
» Fährst du der Arbeit wegen hinunter, oder machst du U r laub? «
Er gehörte doch hoffentlich nicht zu den Männern,
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