Engelspakt: Thriller (German Edition)
in Cibans Büro erfahren hatte.
»Ich nehme an, diese Abbildung hat mit diesem Professor Scrimgeour zu tun?«
»Genau das ist der springende Punkt«, sagte Ciban und leuchtete den mittleren Bereich der in den Stein geritzten Grafik aus. »Der Professor hat einen Teil dieser Hierarchie in seinem Werk Himmlische Heerscharen abgebildet, was drei Schlussfolgerungen zulässt: Entweder es existiert irgendwo eine weitere Abbildung, was durchaus möglich wäre, oder aber Scrimgeour war hier in diesem Verlies, was ich ernsthaft zu bezweifeln wage.«
»Sie haben von drei Schlussfolgerungen gesprochen«, sagte Rinaldo, als Ciban kurz innehielt.
»Die dritte Möglichkeit bestünde darin, dass der werte Herr Professor die Triadenbibel tatsächlich gefunden hat.«
Rinaldo starrte den Kardinal im spärlichen Licht an. Er erinnerte sich, dass die Triadenbibel, auch Engelsbibel genannt, vermeintlich über zentrale Wendepunkte in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Menschheit berichtete. Angeblich beantwortete sie nicht nur die Fragen nach dem Woher und Wohin, sondern auch die Frage nach dem tieferen Sinn des Lebens. Damit stand sie in direkter und gefährlicher Konkurrenz zur christlich-katholischen Bibel.
»Offen gestanden bin ich etwas irritiert, Eminenz.«
»Das kann ich mir sehr gut vorstellen«, sagte Ciban ernst. »Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit dieser Materie, und nicht einmal ich weiß, was ich von Professor Scrimgeours Arbeit halten soll.« Der Präfekt hielt kurz inne. »Ich denke, es ist an der Zeit, diesem Mann Auge in Auge gegenüberzutreten.«
»Das klingt beinahe nach einem Duell.«
Ciban deutete zur Decke. »Entweder ist der Professor tatsächlich, wie er behauptet, der Triadenbibel auf der Spur, oder er hat auf eine andere Weise mit den Triaden zu tun. Ich muss Sie warnen, Rinaldo, selbst wenn nur ein Prozent der Andeutungen um die Triaden der Wahrheit entsprechen sollten, haben wir allen Grund zur Sorge. Mit solchen Mächten ist nicht zu spaßen.«
»Was ist mit Schwester Catherine, Eminenz? Werden Sie sie über die Gefahr informieren?« Rinaldo kannte zwar die konkreten Hintergründe nicht, doch ihm war klar, dass Catherine bei der Aufklärung der Mordserie an den Ordensgeistlichen eine wichtige Rolle gespielt hatte. Seither hatte sich auch Cibans Einstellung gegenüber der rebellischen Nonne geändert, und das obwohl die beiden nach wie vor sehr unterschiedliche Meinungen vertraten, was das Wesen der Kirche anging.
»Ich denke darüber nach. Unsere Schwester in Christo hat im letzten Jahr große Umsicht und großen Mut bewiesen. Ich möchte ihr jedoch nicht zu viel zumuten. Sie hat schon genug Probleme mit dem Lux.« Der Präfekt warf einen Blick auf seine klassische Armbanduhr und seufzte. »Es wird Zeit, dass wir in den Palast zurückkehren, bevor irgendjemand nach uns sucht.«
Nachdem sie in Cibans Büro zurückgekehrt waren und der Kardinal Rinaldo den dicken Ordner ausgehändigt hatte, klingelte das Telefon. Der Präfekt ging zum Schreibtisch, nahm den Hörer ab, meldete sich und hörte zu. Und was er da hörte, schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen.
»Etwas Ernstes?«, fragte Rinaldo, nachdem Ciban aufgelegt hatte.
Der Kardinal nickte. »Es gibt Komplikationen mit Kardinal Gasperetti. Er will um jeden Preis herausfinden, wer oder was das Lux Domini manipuliert, und Schwester Catherine scheint ihm dafür das geeignete Instrument zu sein.«
»Aber wurde Schwester Catherine nicht aus den Diensten des Lux entlassen?«, fragte Rinaldo.
Ciban seufzte. »Genau das ist der Punkt!«
10.
Catherine hätte ihre Verabredung mit Bruder Anselmus in den Vatikanischen Archiven beinahe verschwitzt, so intensiv war sie nach dem Telefonat mit ihrem amerikanischen Verleger in ihr aktuelles Buchprojekt vertieft gewesen. Sie hatte den eigens programmierten Timer ihres Handys zwar gehört, die Bedeutung des Tonsignals jedoch zwei, drei Sekunden danach bereits wieder vergessen. Dass das Ganze nicht mit einer peinlichen Verspätung endete, lag schlichtweg daran, dass sie den Timer ausnahmsweise eine halbe Stunde früher als nötig eingestellt hatte. Einfach um sicherzustellen, dass sie sich auf dem Weg zum Vatikan nicht unnötig abhetzen musste.
Jetzt nahm sie die Abkürzung durch den Petersdom, nachdem sie den Petersplatz so eilig, wie es sich gerade noch für eine Ordensfrau geziemte, überquert hatte. Sie musste Richtung Norden am Papstaltar vorbei, um danach jene Pforten zu passieren,
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