Engelspakt: Thriller (German Edition)
nickte. »Ich habe den Inhalt um einige Akten ergänzt und möchte, dass Sie sich die Unterlagen noch einmal vornehmen.«
Rinaldo starrte den Kardinal an. Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Die ganze Triadensache war ihm mehr als suspekt.
Cibans schlanke Finger huschten über die Tastatur, dann erhob er sich mit einer geschmeidigen Bewegung, ging zum Drucker, der am Fenster gleich neben dem Aktenvernichter stand, entnahm den Ausdruck und überreichte ihn dem jungen Pater.
Rinaldo warf einen Blick auf das oberste Blatt, auf dem das geheime Symbol der Triaden prangte: das Schlaufenkreuz. Sein ungutes Gefühl verstärkte sich.
Ciban verstaute die restlichen Unterlagen in seinem Bürosafe. »Kommen Sie«, sagte er dann. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Eine Viertelstunde später fand Rinaldo sich in den Untiefen der in der Nähe des Vatikans gelegenen Engelsburg wieder, in denen so berühmte Gefangene wie Giordano Bruno, Cagliostro oder Beatrice Cenci während ihrer legendären Prozesse in Haft gesessen hatten. Die Engelsburg verdankte ihren Namen einer Legende, der zufolge Papst Gregor dem Großen im sechsten Jahrhundert, als die Pest die Bevölkerung restlos zu dezimieren drohte, der Erzengel Michael auf der Spitze der Burg erschienen war, um das Ende des Sterbens zu verkünden. Zum Dank und als Erinnerung hatte Gregor die Burg mit einem Engel krönen lassen.
Mit einer Taschenlampe bewaffnet, hatte Ciban Rinaldo durch einen unterirdischen Geheimgang dorthin geführt. Den offiziellen Verbindungsgang zwischen dem Vatikanischen Palast und der Engelsburg, den im dreizehnten Jahrhundert angelegten Passetto, der schon so manch historischer Papstgestalt das Leben gerettet hatte, hatte der Kardinal gemieden. Schließlich hatte ihr Weg nach einer Reihe verschlossener Eisengittertore in einem von feuchtem Modergeruch erfüllten Kerkerverlies geendet.
»Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?« Ciban deutete an die Decke und fächerte den Lichtstrahl der Taschenlampe auf.
Rinaldo stockte und stand mit offenem Mund da, bevor er sich daran erinnerte, dass seine Mutter ihm einmal erklärt hatte, wie ausgesprochen dämlich das aussah. Voller Staunen klappte er den Mund wieder zu.
»Nein, Eminenz. Was ist das?«
Die Decke war über und über mit einem Lebensbaum verziert, einer Art Ahnentafel, allerdings ging es in dieser Tafel nicht um Menschen, sondern um die Mächte des Himmels und der Hölle. An der Wurzel des ganzen Geflechts erblickte Rinaldo das Symbol des Ordens der Triaden. Kein Mensch hätte diesen Plan ohne ein Gerüst in die Decke ritzen können, und Rinaldo bezweifelte, dass einem der Inhaftierten je ein Gerüst oder eine Leiter zur Verfügung gestellt worden war.
»Diese Abbildung zeigt die Hierarchie des Triadenordens. Sie ist mehr als fünfhundert Jahre alt«, erklärte Ciban. »An diesem Ort hat man mehrere Mitglieder des Ordens inhaftiert und verhört.«
Das erklärte zumindest, wie die unglaubliche Gravur an die Decke gelangt war. Der Künstler hatte vermutlich auf den Schultern eines Mithäftlings gestanden.
»Es ist unglaublich, dass es darüber keine Aufzeichnungen im Archiv gibt«, sagte Rinaldo so leise, als müsste er fürchten, dass die Kerkermeister nach all den Jahrhunderten noch in der Nähe waren.
Ciban fokussierte den Lichtstrahl der Taschenlampe und richtete ihn auf das Symbol in der Mitte der Darstellung, ein Schlaufenkreuz mit gewaltigen Schwingen und einem Skarabäus darin. »Es gibt keine offiziellen Dokumente, weil die Sache nicht publik werden sollte. Wie Sie sich erinnern, lag es im Interesse der Kirche, die Existenz des Ordens aus den Annalen der Geschichte zu tilgen. Ganz sicher wollte man es vermeiden, einen Mythos gleich dem der Templer oder Katharer zu erschaffen. Tot bleibt, was totgeschwiegen wird. Ich habe den Unterlagen, die Sie noch einmal durchgehen werden, eine Fotografie dieser Abbildung hier beigelegt. Um der Bedeutung willen wollte ich jedoch, dass Sie auch das Original sehen.«
Rinaldo konnte kaum fassen, dass Ciban hier unten einen historischen Beleg für die Existenz des Triadenordens entdeckt hatte. Nun wusste er auch, wo der Präfekt sich herumtrieb, wenn er mal wieder für die eine oder andere Stunde aus seinem Büro verschwunden war und Bischof Tardini ihn mit durchaus plausiblen Erklärungen deckte. Wie es aussah, hatten die Ermittlungen über die Triaden gerade eine entscheidende Wende genommen. Rinaldo fiel der britische Forscher wieder ein, von dem er
Weitere Kostenlose Bücher