Engelsrache: Thriller
verstehen, was sie sagte.
»Mit wem spreche ich?«
»Ich habe bis vor kurzem für Erlene Barlowe gearbeitet.«
»Und woher haben Sie meine Handynummer?«
»Von Julie Hayes. Ich wollte Sie schon früher anrufen, aber als man sie tot aufgefunden hat, habe ich es mit der Angst zu tun bekommen.«
»Und wieso haben Sie jetzt keine Angst mehr?«
»Weil ich weit weg bin.«
»Sagen Sie mir, wie Sie heißen.«
»Kann ich nicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie machen da einen schweren Fehler. Angel hat niemanden umgebracht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil ich an dem Abend dort war. Ich weiß, was passiert ist.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Erlene den Mann umgebracht hat?«
»Die Frage erübrigt sich wohl.«
»Wenn Sie etwas wissen, können wir Sie unter Personenschutz stellen. Allerdings müssten Sie vorher zurückkommen, Ihre Aussage schriftlich gegenzeichnen und als Zeugin auftreten.«
»Julie haben Sie auch nicht geschützt.«
»Wenn Sie nicht persönlich hier erscheinen, sind Sie für mich völlig nutzlos.«
»Ich kann Ihnen aber helfen, etwas zu finden, was Sie schon seit längerem suchen.«
»Ich höre.«
»Ein kleiner Tipp. Es ist rot und hat vier Räder.«
»Die Corvette?«
»Ich habe gewusst, dass Sie ein schlaues Kerlchen sind.«
»Wo ist sie?«
»In einer Scheune.«
»Hören Sie endlich mit diesem Theater auf. Wo ist das Auto?«
»Haben Sie zufällig einen Stift und ein Stück Papier? Sie sollten sich das am besten notieren.«
Landers teilte Frankie Martin telefonisch mit, dass er bei der für den frühen Vormittag angesetzten Auswahl der Geschworenen nicht anwesend sein könne, ohne dafür einen Grund zu nennen. Er konnte am Tonfall von Martins Stimme zwar erkennen, dass der Mann sauer war, aber er dachte gar nicht daran, jemandem zu sagen, wohin er fahren wollte. Der Fall Angel Christian hatte ihm schon genug Ärger eingebracht. Falls die Anruferin ihn lediglich auf eine falsche Fährte gelockt hatte, wollte er nicht, dass jemand davon erfuhr.
Er brauchte eine halbe Stunde, um auf der I-181 von Johnson City nach Unicoi County zu fahren. Draußen war es bereits über fünfundzwanzig Grad warm, und über der Landschaft hing eine dicke Dunstglocke. In ein paar Stunden würde die Schwüle kaum noch zu ertragen sein. Landers fuhr an der Ausfahrt Temple Hill von der Autobahn und bog dann auf die Straße ab, die zum Spivey Mountain hinaufführte.
Nach gut drei Kilometern erreichte er einen einfachen Kiesweg, der – genau wie seine Informantin gesagt hatte – nach rechts zunächst durch eine Senke führte und dann oben auf einem von Bäumen gesäumten Grat weiterlief. Nach etwa anderthalb Kilometern kam er an eine Weidepforte, die durch ein Vorhängeschloss gesichert war. Er stieg über die Pforte und ging auf einem schmalen Pfad knapp einen Kilometer durch einen Kiefernwald. Dann gelangte er auf eine Lichtung und sah auf der rechten Seite in etwa hundert Metern Entfernung eine Scheune. Bislang sah es so aus, als ob die Schlampe die Wahrheit gesagt hatte.
Landers zog die Pistole und näherte sich langsam der Scheune. Er sah, dass sich links von ihm im Wald etwas bewegte, und blieb wie angewurzelt stehen. Offenbar ein Hirsch. Er spähte durch die Ritzen zwischen den Brettern, bis seine Augen sich an das Halbdunkel in dem Schuppen gewöhnt hatten. Tatsächlich, da war es. Ein Fahrzeug, das mit einer Plane abgedeckt war. Auch das Scheunentor war mit einem Vorhängeschloss gesichert. Deshalb stieg Landers durch ein offenes Fenster ein, ging dann zu dem Wagen und hob die Plane an. Eine Corvette. Eine wunderschöne, rote Scheiß-Corvette. Auf dem Beifahrersitz waren Blutflecken zu erkennen. Endlich die ganz, ganz heiße Spur. Endlich!
Landers zog einen kleinen Notizblock aus der Tasche und notierte sich das Kennzeichen des Autos, kletterte dann erneut durch das Fenster und trabte zu seinem Wagen zurück. Er war schweißgebadet. Sobald sein Handy wieder Netzempfang hatte, rief er Bill Wright an und berichtete ihm, was er entdeckt hatte. Wright sagte, dass er sofort zwei Beamte zur Bewachung der Scheune losschicken würde. Außerdem versprach er, augenblicklich die Kriminaltechnik zu alarmieren.
Landers fuhr schnurstracks zum Amtssitz des Steuerschätzers von Unicoi County, der im Gerichtsgebäude der Bezirksstadt Erwin untergebracht war. Das Amt hatte gerade erst geöffnet, und außer Landers war niemand da. Die Frau, die dort arbeitete, half ihm dabei, das Anwesen, auf dem sich die Scheune
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