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Engelsrache: Thriller

Engelsrache: Thriller

Titel: Engelsrache: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Pratt , Christian Quatmann
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hat, die Todesstrafe bei Gericht fristgerecht zu beantragen, ist eine solche Strafe jetzt nicht mehr zulässig«, hieß es dort weiter. Ich konnte es kaum fassen. Ich hatte gewonnen. Dann hatte das Oberste Gericht es also tatsächlich über sich gebracht, sich ausnahmsweise nicht in Spitzfindigkeiten zu ergehen, sondern sich der verfahrensrechtlichen Logik und damit dem gesunden Menschenverstand zu beugen. Ich war außer mir vor Freude, bis mir wieder einfiel, worum es in dem Entscheid eigentlich ging. Ich hatte einen Kindesmörder vor der Todesstrafe bewahrt.
    Ich beantwortete ein paar Anrufe und fuhr dann nach Elizabethton. Dort versuchte ich, in einem Coffee Shop etwas zu Mittag zu essen, bekam aber kaum einen Bissen hinunter. Seit dem Tag, als Maynard die Bowers-Zwillinge erschossen hatte, war mir der Appetit gründlich vergangen. Ich brauchte bloß etwas Essbares zu sehen, schon war mir speiübel. Selbst mein Fitnesstraining hatte ich seither vernachlässigt. Ich war schon immer sportlich aktiv gewesen. Dass bei körperlicher Anstrengung Endorphine ausgeschüttet werden und dass Endorphine das Wohlbefinden steigern, wusste ich zwar, aber ich wollte mich nicht wohlfühlen. Nachts bekam ich kaum ein Auge zu, und wenn ich mich morgens im Spiegel betrachtete, hatte ich dunkle Schatten unter den Augen, die sich von Tag zu Tag noch verstärkten.
    Ich beglich in dem Coffee Shop meine Rechnung und fuhr dann zum Bezirksgericht von Carter County, einem in seiner Art einzigartigen Gebäude. Keine Ahnung, welcher Architekt das Bauwerk verbrochen hatte, aber der Schwachkopf hatte das örtliche Gefängnis doch tatsächlich in dem Gebäude direkt oberhalb der Sitzungssäle eingerichtet. Als Steuerzahler hätte man sich den Knaben am besten gleich an dem Tag, als ihm dieser Schwachsinn eingefallen war, greifen und ihn standrechtlich erschießen sollen. Was für ein grandioser Blödsinn. Die Häftlinge hatten natürlich sofort spitz gekriegt, dass sie das ganze Gebäude unter Wasser setzen konnten, wenn sie die Toilettenabflüsse mit Papier verstopften. Sie setzten auf diese Weise einfach den ganzen Zellentrakt unter Wasser, das dann durch die Decken in die Gerichtssäle und Büros weiter unten sickerte. Ich stellte mir einen soeben zu zehn Jahren Knast verurteilten Gefangenen vor, der oben in seine Zelle kam und den Richter unter ihm mit seiner eigenen Scheiße traktierte. Kein Wunder, dass es in dem ganzen Gebäude wie in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt stank.
    Als ich auf den Parkplatz fuhr, sah ich eine Ambulanz und mehrere Streifenwagen, die mit zuckenden Rotlichtern an der Einfahrt zum Gefängnis standen. Ich wusste augenblicklich, was passiert war. Ich stieg aus und ging direkt zu dem Rettungswagen hinüber.
    Als ich gerade den Gehsteig vor der Einfahrt erreichte, wurde jemand auf einer Liege nach draußen geschoben. Vor der Tür, die in das Gefängnis hineinführte, eilten einige Unformierte hin und her. Die Krankenliege wurde von einer kleinen drahtigen Sanitäterin mit kurz geschorenem orangefarbenen Haar geschoben. Es war offenkundig, dass der Mensch auf der Bahre bereits tot war. Die Rettungskräfte hatten dem Toten ein Tuch über den Kopf gezogen, das mit Blut durchtränkt war.
    »Bitte zurücktreten, Sir«, sagte die Sanitäterin, als ich näher kam.
    »Ist das Maynard Bush?«
    »Bitte treten Sie zurück, und kümmern Sie sich um Ihren eigenen …«
    Ich zog rasch das Tuch beiseite. Maynard lag mit aufgerissenen Augen auf der Bahre. Seine schwarz angeschwollene Zunge war weit herausgestreckt. Vorn an seinem Hals war ein dunkler Streifen zu erkennen. Da ich solche Ligaturen schon öfter gesehen hatte, wusste ich sofort, was passiert war. Maynard hatte sich selbst erhängt, beziehungsweise jemand hatte ihn aufgehängt.
    Die Sanitäterin mit dem orangefarbenen Bürstenschnitt sah mich wütend an. Ich zog das Tuch wieder über Maynards Kopf und erwiderte ihren Blick nicht minder böse.
    »Das Beste, was er tun konnte.« Das war alles, was mir im Augenblick einfiel. »Ja, was Besseres hätte er gar nicht tun können.«
    Ich ging in das Gerichtsgebäude, um mich von Richter Glass zu verabschieden. Der Mann hielt es nicht mal für nötig, sich bei mir dafür zu bedanken, dass ich Maynards Verteidigung notgedrungen übernommen hatte, und ging mit keinem Wort auf Maynards Tod ein. Er nickte bloß und grunzte irgendwas vor sich hin. Unten auf dem Parkplatz sah ich, dass Carolines Wagen direkt neben meinem Pick-up

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