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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Tee.
     
    »Meinst du, dass du das alles etwas schneller aus dir rauziehen könntest?«, sagte Erlendur zu Sigurður Óli. Er saß an seinem Schreibtisch und konnte seine Ungeduld kaum verbergen.
    »Ich versuche nur, das so präzise wie möglich zu referieren«, sagte Sigurður Óli und schaute wieder auf seine Uhr. Jetzt war er schon eine Dreiviertelstunde zu spät dran.
    »Also schön, weiter im Text …«

    »Hat er jemals darüber gesprochen?«, fragte Sigurður Óli, der die Tasse abstellte und sich ein Plätzchen nahm. »Über seine Vergangenheit als Kinderstar?«
    »Er sagte, dass er die Stimme verloren hatte«, sagte Baldur.
    »War er verbittert deswegen?«
    »Und wie. Es ist wohl auch zu einem ganz fürchterlichen Zeitpunkt geschehen, aber er wollte nicht darüber reden. Er hat gesagt, dass er in der Schule gehänselt worden sei, weil er so berühmt war, und er hat darunter gelitten. Er hat aber nicht das Wort berühmt verwendet. Aus seiner Sicht war er nicht berühmt, doch sein Vater wollte, dass er berühmt würde, und da hat wohl auch nicht viel gefehlt. Aber er fühlte sich unwohl. Und dann machte sich irgendwann noch dieses Interesse für das gleiche Geschlecht bei ihm bemerkbar, die Homosexualität in ihm brach durch. Aber er sprach nicht gern darüber. Wollte so wenig wie möglich über seine Familie reden. Nimm dir doch noch ein Plätzchen.«
    »Nein, danke«, sagte Sigurður Óli. »Kannst du dir vorstellen, wer ihn hätte umbringen wollen? Weißt du von jemandem, der ihm übel wollte?«
    »Du lieber Himmel, nein! Er war ein verklemmter, schüchterner Mensch und hat nie auch nur einer Fliege was zuleide getan. Ich weiß nicht, wer das getan haben könnte. Der arme Kerl, was für ein Ende. Seid ihr in der Ermittlung schon weitergekommen?«
    »Nein«, sagte Sigurður Óli. »Hast du seine Platten gehört, oder besitzt du sie vielleicht?«
    »Aber gewiss«, sagte der Mann. »Er war wirklich großartig. Er singt phantastisch. Ich glaube, dass ich noch nie eine so schöne Stimme bei einem Kind gehört habe.«
    »War er selber stolz auf seine Stimme, als er älter wurde? Als du ihn gekannt hast?«
    »Er hat sich nie selbst gehört. Wollte nicht, dass man seine Platten auflegte, egal, was ich versucht habe.«
    »Warum nicht?«
    »Es war völlig unmöglich, ihn dazu zu bewegen. Er hat keine Erklärung dafür abgegeben, er hat es einfach kategorisch abgelehnt, seine eigenen Platten anzuhören.«
    Baldur stand auf, ging zu einem Schrank im Wohnzimmer, nahm die beiden Schallplatten mit Guðlaugur heraus und legte sie vor Sigurður Óli auf den Tisch.
    »Er hat sie mir geschenkt, nachdem ich ihm beim Umzug geholfen habe.«
    »Umzug?«
    »Das Zimmer im Westend wurde ihm gekündigt, und er hatte mich gebeten, ihm beim Umzug zu helfen. Er hatte irgendeine andere Bleibe gefunden, wo er seinen ganzen Kram unterbringen konnte. Er besaß eigentlich nichts außer den Platten.«
    »Besaß er viele Platten?«
    »Ja, jede Menge.«
    »Gab es da irgendwas Spezielles, was er sich angehört hat?«
    »Nein«, sagte Baldur. »Verstehst du, das waren alles die gleichen Platten. Diese hier«, sagte er und deutete auf die zwei Platten mit Guðlaugur. »Er hatte jede Menge davon. Er sagte, er hätte von beiden Platten die gesamten Restbestände der Auflage bekommen.«
    »Besaß er ganze Kartons voll mit diesen Platten?«, fragte Sigurður Óli und versuchte erst gar nicht, sein Interesse zu verhehlen.
    »Ja, mindestens zwei.«
    »Weißt du, wo die sein könnten?«
    »Ich? Nein, keine Ahnung. Sind diese Platten heutzutage interessant?«
    »Ich kenne einen Engländer, der unter Umständen bereit wäre, dafür zu töten«, sagte Sigurður Óli, und Baldur sah ihn verwundert an.
    »Was meinst du damit?«
    »Nichts«, sagte Sigurður Óli und schaute auf seine Uhr. »Jetzt muss ich aber sehen, dass ich weiterkomme«, erklärte er. »Ich werde mich eventuell noch einmal mit dir in Verbindung setzen, falls mir noch ein paar Details fehlen. Es wäre auch nicht schlecht, wenn du mich anrufen würdest, falls dir noch etwas einfällt, egal wie unbedeutend oder belanglos es dir erscheinen mag.«
    »Damals hatte man ehrlich gesagt keine große Auswahl«, sagte Baldur. »Das ist was ganz anderes heutzutage, wo jeder Zweite schwul ist oder es gern sein möchte.«
    Er lächelte Sigurður Óli an, der sich am Tee verschluckte. »Entschuldigung«, sagte Sigurður Óli.
    »Er ist vielleicht etwas stark.«
    Sigurður Óli stand auf, und Baldur tat es

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