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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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abführen. Sie blieb jedoch stocksteif stehen und blickte Erlendur nach. »Also schön«, rief sie ihm nach. Sie versuchte, sich von Sigurður Óli loszureißen. »Das hier ist nicht nötig«, sagte sie. »Können wir uns nicht irgendwo hinsetzen und wie vernünftige Menschen darüber reden?«
    Erlendur blieb stehen und drehte sich um.
    »Worüber?«, fragte er.
    »Über meinen Bruder«, sagte sie. »Reden wir über meinen Bruder, wenn du das unbedingt willst. Aber ich weiß wirklich nicht, was du dir davon versprichst.«

    Sie gingen hinunter in Guðlaugurs Kammer, weil sie darauf bestand. Als Erlendur fragte, ob sie bereits früher einmal dort gewesen sei, verneinte sie. Als er nachfragte, ob sie wirklich all die Jahre ihren Bruder nie getroffen hätte, wiederholte sie das, was sie bereits vorher gesagt hatte, dass sie keinerlei Verbindung zu ihrem Bruder gehabt hätte. Erlendur war davon überzeugt, dass sie log und dass ihr Besuch im Hotel fünf Tage vor dem Mord in irgendeiner Weise mit Guðlaugur zu tun gehabt hatte, der konnte kein purer Zufall gewesen sein.
    Sie betrachtete das Plakat mit Shirley Temple als Little Princess , verzog aber keine Miene und enthielt sich jeglichen Kommentars. Sie öffnete den Kleiderschrank und sah die Portierslivree. Schließlich setzte sie sich auf den einzigen Stuhl in der Kammer, während Erlendur sich an den Schrank lehnte. Sigurður Óli hatte weitere Termine mit Schulkameraden von Guðlaugur in Hafnarfjörður, und er machte sich auf den Weg, als sie sich in den Keller begaben.
    »Hier ist er also gestorben«, sagte die Schwester ohne eine Spur von Bedauern in der Stimme, und Erlendur wunderte sich wieder genau wie beim ersten Zusammentreffen, warum diese Frau überhaupt keine Gefühle für ihren Bruder zu haben schien.
    »Durch einen Stich ins Herz«, sagte Erlendur. »Wahrscheinlich mit einem Messer aus der Küche«, fügte er hinzu. Immer noch waren die Blutspuren im Bett.
    »Wie erbärmlich das ist«, sagte sie und schaute sich um. »Dass er hier die ganzen Jahre gehaust hat. Was hat er sich eigentlich dabei gedacht?«
    »Ich habe gehofft, dass du mir da weiterhelfen könntest.« Sie sah ihn an und schwieg.
    »Ich weiß es nicht«, fuhr Erlendur fort. »Er war wohl der Meinung, dass ihm das genügte. Andere Leute brauchen Villen mit fünfhundert Quadratmetern. Soweit ich weiß, hat er einige Vorteile dadurch gehabt, hier im Hotel zu wohnen und zu arbeiten. Hier hatte er die eine oder andere Dienstleistung inklusive.«
    »Habt ihr schon die Mordwaffe gefunden?«, fragte sie.
    »Nein, aber vielleicht etwas Ähnliches«, antwortete Erlendur. Dann verstummte er und wartete darauf, dass sie etwas sagen würde, aber sie schwieg ebenfalls. Es verging eine ganze Weile, bis sie das Schweigen brach.
    »Wieso behauptest du, dass ich lüge?«
    »Ich weiß nicht, wie weit reichend die Lüge ist, aber ich bin mir völlig sicher, dass du mir nicht alles zu Protokoll gegeben hast, was du weißt. Du hast nicht die Wahrheit gesagt. Abgesehen davon sagst du sowieso fast nichts, und ich bin erstaunt über deine und deines Vaters Reaktion auf den Tod von Guðlaugur. Es hat den Anschein, als beträfe euch das überhaupt nicht.«
    Sie blickte Erlendur eine ganze Weile an, schien sich dann jedoch zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben.
    »Er war drei Jahre jünger als ich«, sagte sie plötzlich, »und obwohl ich damals so klein war, kann ich mich erinnern, wie meine Eltern ihn als Baby nach Hause brachten. Wahrscheinlich eine meiner ersten Erinnerungen. Er war vom allerersten Tag an der Augenstern meines Vaters. Er stand immer im Mittelpunkt, und ich glaube, mein Vater hat ihm gleich von Anfang an eine große Rolle zugedacht. Das kam nicht später oder hat sich so ergeben, wie es wahrscheinlich normalerweise der Fall ist, sondern unser Vater hatte vom ersten Tag an Großes mit ihm im Sinn, mit Guðlaugur.«
    »Und was war mit dir?«, fragte Erlendur. »Hat er keine Talente in dir gesehen?«
    »Er war immer gut zu mir«, sagte sie, »aber Guðlaugur hat er vergöttert.«
    »Und ihn vorangetrieben, bis er zusammengebrochen ist.« »Du willst die Dinge anscheinend einfach haben«, sagte sie, »aber das sind sie im seltensten Fall. Ich hätte gedacht, dass ein Mensch wie du, ein Polizist, sich das klar machen würde.«
    »Ich glaube, hier geht es nicht um mich«, sagte Erlendur.
    »Nein«, sagte sie, »natürlich nicht.«
    »Wie ist es dazu gekommen, dass Guðlaugur hier in diesem

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