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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Kellerloch endete, allein und verlassen? Warum habt ihr ihn so gehasst? Ich kann vielleicht die Reaktion deines Vaters verstehen, wenn er durch ihn in den Rollstuhl gekommen ist, aber ich begreife nicht, warum du so unerbittlich und nachtragend gegen ihn warst.«
    »In den Rollstuhl gekommen ist?«, fragte sie und blickte Erlendur erstaunt an.
    »Weil Guðlaugur ihn die Treppe hinuntergestoßen hat«, sagte Erlendur. »Die Geschichte habe ich gehört.«
    »Von wem?«
    »Das spielt keine Rolle. Stimmt sie? Hat er seinen Vater in den Rollstuhl gebracht?«
    »Ich glaube, das geht dich nichts an.«
    »Gewiss nicht«, sagte Erlendur. »Aber es hat mit meiner Ermittlung zu tun, und da fürchte ich, dass es außer euch auch noch andere angeht.«
    Stefanía schwieg und starrte auf das Blut im Bett. Erlendur überlegte, warum sie unbedingt in dieser Kammer mit ihm sprechen wollte, in der ihr Bruder ermordet worden war. Er spielte mit dem Gedanken, sie zu fragen, unterließ es aber dann.
    »Das kann doch nicht immer so gewesen sein«, sagte er stattdessen. »Du bist deinem Bruder auf der Bühne im Stadtkino zu Hilfe gekommen, als er seine Stimme verlor. Irgendwann wart ihr Freunde. Irgendwann ist er dein Bruder gewesen.«
    »Wieso weißt du, was im Stadtkino geschehen ist? Wie hast du das ausgegraben? Mit wem hast du gesprochen?« »Wir stellen selbstverständlich Nachforschungen an. Einige Leute aus Hafnarfjörður können sich noch ganz gut daran erinnern. Er war dir nicht gleichgültig, als ihr Kinder wart.« Stefanía schwieg.
    »Das Ganze war ein Albtraum«, sagte sie. »Ein grauenvoller Albtraum.«

    Vorfreude und Spannung herrschten in ihrem Haus in Hafnarfjörður an dem Tag, als er im Stadtkino auftreten sollte. Sie wachte früh auf und machte das Frühstück. Sie musste an ihre Mutter denken, ihr kam es so vor, als hätte sie deren Rolle im Haushalt übernommen, und sie war stolz darauf. Ihr Vater hatte sie gelobt und gesagt, wie tüchtig sie für ihre beiden Männer sorgte, nachdem die Mutter gestorben war. Wie erwachsen sie schon sei und wie verantwortungsvoll in allem, was sie tat. Sonst äußerte er sich nie über ihre Person. Kümmerte sich nicht um sie, hatte es nie getan.
    Sie vermisste ihre Mutter. Auf dem Sterbebett hatte sie ihr gesagt, dass sie von jetzt an für ihren Vater und ihren Bruder sorgen müsse. Sie dürfe die beiden nicht im Stich lassen. »Versprich mir das«, hatte ihre Mutter gesagt. »Es wird nicht immer einfach sein. Es ist nicht immer einfach gewesen. Dein Vater ist so streng und so unnachgiebig, ich weiß nicht, ob Guðlaugur das durchhält. Falls nicht, musst du zu ihm stehen, zu Guðlaugur, versprich mir das auch«, sagte ihre Mutter. Sie hatte darauf genickt und es ihr versprochen. Und sie hielten sich die Hände, bis ihre Mutter einschlief, sie strich ihr über die Haare und küsste sie auf die Stirn.
    Zwei Tage später war sie tot.
    »Lassen wir Guðlaugur noch ein bisschen länger schlafen«, sagte ihr Vater, als er in die Küche herunterkam. »Dies ist ein wichtiger Tag für ihn.«
    Ein wichtiger Tag für ihn.
    Sie konnte sich nicht erinnern, dass es jemals wichtige Tage in ihrem Leben gegeben hatte. Alles drehte sich um ihn. Seine Stimme, seinen Gesang. Die Schallplattenaufnahmen. Die beiden Platten, die herausgegeben worden waren. Die Einladung zu einer Tournee durch Skandinavien. Die Auftritte in Hafnarfjörður. Das Konzert im Stadtkino heute Abend. Während seiner Gesangsübungen musste sie immer durchs Haus schleichen, um die beiden im Wohnzimmer nicht zu stören. Er stand am Klavier, und sein Vater begleitete ihn, instruierte und spornte ihn an. Er war sanft und verständnisvoll, wenn er fand, dass er sich Mühe gab, aber er konnte genauso unerbittlich und streng sein, wenn Guðlaugur sich seiner Meinung nach nicht genug konzentrierte. Dann verlor er die Geduld und überschüttete ihn mit Vorwürfen. Manchmal umarmte er ihn und sagte, er sei wunderbar.
    Sie sehnte sich nach einem Bruchteil dieser Aufmerksamkeit oder etwas, das im Ansatz der Förderung entsprach, die ihm jeden Tag zuteil wurde, weil er diese schöne Stimme hatte. Sie empfand sich selbst als völlig unbedeutend, denn sie verfügte über keinerlei Fähigkeiten, die das Interesse ihres Vaters wecken konnten. Manchmal sagte er, es sei schade, dass sie keine schöne Stimme habe. Seiner Meinung nach wäre es vergebliche Mühe gewesen, ihr Gesangsunterricht zu geben, aber sie wusste, dass das nicht stimmte. Sie

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