Engelstation
Bord der Runaway , um diese Frau zu verführen, sie ins Bett zu kriegen und aus ihr herauszuvögeln, was er wissen wollte; und nun war sie ihm gleich im ersten Moment auf die Schliche gekommen. Die Sache würde nicht funktionieren. Marcos Idee war das Blödeste, was er je gehört hatte.
»Ich werd nicht mehr davon reden«, sagte Kit.
»Dafür war ich dir dankbar.«
Kit merkte, wie seine Anspannung nachließ. Die Sache war für ihn gelaufen. In ein paar Tagen würde er wieder Lager schmieren, und Marco konnte ihn mal. Er schaute zu Maria hoch.
»Und was hast du die letzten sechs Monate sonst so gemacht?«
Eine Blase des Gelächters platzte aus Marias Hals. Sie stellte ihren Teller hin und warf die Beine in die Luft. Kit hatte den Eindruck, daß sie schon lange nicht mehr gelacht hatte.
»Gar nichts«, sagte sie schließlich. »Und du?«
»Lager geschmiert. Stromkabel neu verlegt. Autolader bedient. Massenweise Frachtgut festgeschnallt.« Er zuckte die Achseln. »Das war’s so ungefähr.«
Ihre Augen funkelten. »Erzähl.«
Und Kit erzählte. Er flocht Geschichten über seine Familie ein: wie seine Tante Sandy ihm Essen hinschob, wenn die anderen gerade nicht hinschauten; wie Marco allein unter der gelben Lampe in seinem Zimmer saß und Pläne schmiedete, wobei die zischende Espressomaschine sein einziger Gefährte war; wie Ridge auf der Salvador-Station mit geschwellten Muskeln vor ein paar Mädchen vom Planeten unten herumstolziert war, mit dem einzigen Ergebnis, daß ihn ein halbes Dutzend ihrer Brüder windelweich geprügelt hatten. Die Worte kamen mühelos, ohne Berechnung. Maria hörte munter und aufmerksam zu. Die Katze geisterte in den Raum, beschnüffelte Kit mißtrauisch und fand seinen Schoß akzeptabel. Sie aßen auf und stellten die Teller beiseite. Maria lud seinen Ballon mit einer neuen Portion Lark.
Er hielt einen Moment lang inne und sah sie an. »Darf ich dich anfassen?« fragte er. »Ich würde irgendwie gern – ich weiß nicht.« Er hob die Schultern.
Marias Augen taxierten ihn. »Noch nicht«, sagte sie. »Ich bin grade ein bißchen …« Ihre Hände flatterten wie die weißen Kakadus seiner Mutter. »Ich weiß nicht so recht, ob ich’s unbedingt haben muß, daß mich jetzt jemand anfaßt.«
Auf einmal wußte er, warum sie früher imstande gewesen waren, so ungezwungen miteinander umzugehen. Damals waren sie nur zwei junge Shooter gewesen, die sich zufällig begegnet waren und ein paar Stunden zwischen einem Jetzt und dem nächsten miteinander verbracht hatten. Nun hatte Maria ein Geheimnis, Kit war ein Spion, und sie hatten eine gemeinsame Geschichte.
Er lächelte sie an. »Du sagst mir Bescheid, wenn du soweit bist, ja?«
»Klar und deutlich.«
Er blieb noch zwei Stunden, dann hatte Maria etwas zu tun. Kit erklärte ihr, daß er die nächsten paar Tage frei hatte, und stieß sich zur Luftschleuse. Sie half ihm in den Anzug und drückte ihre Lippen auf seine, bevor sie den Helm verschloß.
Es schmeckte vielversprechend. Er würde dies so lange genießen, wie er konnte, bis Marco die Geduld verlor und entschied, ihn wieder doppelte Wartungsschichten machen zu lassen.
»Na, Kleiner?« Marco paßte ihn an der Luftschleuse der Abrazo ab. Das rote Licht über der Innentür flackerte in den tiefliegenden Augen des alten Mannes. »Noch nichts. Sie will nicht drüber reden.«
»Ich mach das nicht zu meinem Vergnügen, Kleiner.« Kit kämpfte mit seinem Rucksackgurt und zog ihn sich über den Kopf. Sein inneres Gelächter über dieses sinnlose Melodram war ein geheimer Quell der Wärme tief in ihm. »Ich werde tun, was ich tun muß«, sagte er. Vielleicht klang das positiv genug für den Alten, damit er ihn eine Weile in Ruhe ließ.
Marco funkelte ihn an. »Hör zu, Kleiner. Die Sache ist ernst. Der Vertrag mit PDK steht in nicht einmal drei Jahren zur Erneuerung an. Jedesmal, wenn wir neu verhandeln, verlieren wir einen Teil unserer Gewinnspanne. Dieser Vertrag hat uns am Leben erhalten, Kleiner! « Marcos Stimme war ein Schrei. Kit sah ihn erstaunt an. Marcos Mittelfinger zitterte, als er ihn auf Kit richtete.
» Die Familie muß am Leben bleiben! «
»Okay«, sagte Kit. Er blickte auf den ausgestreckten Finger. Das rote Licht schimmerte auf dem gelben, verhornten Fingernagel. »Ich weiß.« Marco sagte es oft genug, praktisch bei jedem Frühstück, Mittag- und Abendessen.
»Einen Scheiß weißt du! Du glaubst, das ist irgend so ein verdammtes Spiel.«
»Ich werde tun, was ich
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