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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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treffen, wenn sie die richtigen Daten bekam. Rot Neun schrie auf sie ein, mehr zu tun – zu morden, zu plündern und zu zerstören, in einem wilden Partikelsturm der Vernichtung durch das Suarez-System zu brausen. Die Elektronenwelt zupfte an ihr, versuchte, in ihrem Geist aufzusteigen und sie aus ihrem aufgeputschten Körper zu reißen.
    Statt dessen ging sie unter die Dusche. In der Duschkabine gab es ein Wandgemälde von drei nackten holographischen Girls mit sehnigen, gemonten Körpern und geschminkten, vorpubertären Gesichtern. Maria kicherte überrascht, als sie einander mit ernsten Mienen befingerten, sobald sich Maria bewegte und den Blickwinkel wechselte. Sie drehte die Hähne auf, und Wasser spritzte von ihrer Haut weg, jeder Aufprall eines Tropfens wie der Einschlag einer Kugel. Sie blieb lange unter der Dusche, stellte dann das Wasser ab, schaltete das Gebläse ein und ließ sich von den Luftströmen trocknen, bis ihre langen Haare wie Flammen um ihren Körper leckten.
    Das Blau Sieben begann die scharfen Kanten des Rot Neun abzustumpfen. Maria verließ die Dusche und versuchte sich die Haare auszukämmen, war jedoch so ungeduldig, daß sie den Kamm wieder in ihren Beutel warf. Sie nahm noch eine Kapsel Blau Sieben, klappte das Terminal wieder herunter und rief die Spieledatei auf. Sie spielte zwei schnelle Partien NovaKrieg – Sterne explodierten auf dem Holodisplay wie einem bestimmten Muster folgende Netzhautblitze –, dann begann das Blau Sieben an ihren Reflexen zu zerren.
    Sie spürte scharfe Stiche in den Nieren und ging auf die Toilette. Gepanzerte Illustreifen-Aliens mit gelben Augen bedrohten sie von der Klotür aus. Die Elektronenwelt streichelte sie wie ein Zeitlupentraum; sie hatte nichts Drängendes und Forderndes mehr. Ihr kam der Gedanke, daß sie erschöpft war, daß es kaum mehr als Nerven, Schmerzen und Wut gewesen war, was sie seit Tagen auf den Beinen gehalten hatte. Sie klappte das Terminal weg und ließ sich in die Koje fallen, schaltete dann das Licht aus, damit sie keine nackten Frauen mehr sehen mußte. Strukturierte Strahlung tanzte in ihrem Geist. Sie machte die Augen zu und sank in den Schlaf.
    Als Kit leise in die Koje schlüpfte, hatte sie zuerst Schwierigkeiten, ihn von der sanften Berührung der anderen Welt zu unterscheiden. Sie lachte, als sie erkannte, daß er real war. Seine Lippen und Hände strichen über ihre Haut und entfachten einen Sturm leuchtender Photonen.
    Leidenschaft, Wut und Haß waren allesamt von einem warmen Blau Sieben-Strom weggeschwemmt worden. Was blieb, war die darunterliegende Struktur: Die Berührung von Haut, das Rascheln der Laken, das Zischen von Atem, alles überzogen vom spektralen Regenbogenschimmer der Elektrizität. Sämtliche Bestandteile von Marias Persönlichkeit, eine alles umfassende Gesamtheit von Sinneseindrücken … vielleicht war es möglich, daraus ein ganzes Universum zu erschaffen, dachte sie, eine gutartige Schöpfung, aus der Rivalität, Unbarmherzigkeit und Wut – allesamt Marcos Waffen – ausgeschlossen waren; ein neues Universum, das aus mentalen Wahrnehmungen erstand, ebenso wie das Feuerwerk des Großen Knalls mit einem einzigen virtuellen Partikel begonnen haben mochte.
    Aber virtuelle Partikel sind niemals von Dauer – irgendwann zwinkert das Universum, und die Partikel verschwinden. So war auch Marias Universum zum Untergang verurteilt, sobald die Wirklichkeit davon Notiz nahm. Die ganze Schöpfung verschwand, schrumpfte in sich zusammen, bis sie fort war, wurde zur Trostlosigkeit eines nervösen Magens und stechender Schmerzen hinter den Augen, zu einem hellen, rasiermesserscharfen und gnadenlosen Morgen …

    Maria schob ihr Frühstückstablett weg. »Ich wünschte, du würdest es dir noch mal überlegen«, sagte Kit.
    »Hab ich schon.« Das Frühstückschili brannte in ihrem Magen. Bei jedem Herzschlag pulsierten Schmerzen in ihrem Hals. Sie rieb sich den steifen Nacken. »Ich bin nirgends auf dem Schiff willkommen. Wozu soll ich also die Kabine verlassen?«
    »Es sind nur ein paar Stellen, wo du nicht hin darfst«, wandte Kit ein.
    »Ich kann in die Kombüse gehen«, sagte sie. »Na toll. Ich darf Essen machen, für wen ich will, bloß meinen Job darf ich nicht machen.«
    »Alle würden dich gern kennenlernen.«
    »Die können mich hier kennenlernen, wo ich wohne, oder sie können zum Teufel gehen.«
    Kit wandte sich ab und lief ärgerlich ein paar Schritte hin und her. Maria setzte sich aufs Bett und

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