Engpass
mit diesem Phänomen, diesem Burn-out-Syndrom, zu tun bekommt, dann Dr. Degenwald«, merkt Lydia seufzend an. »Urlaub? Erholung? So was kennt der gar nicht.«
Elsa zuckt mit den Achseln und verlässt wortlos das Haus.
Während der Fahrt nach Traunstein telefoniert sie mit Dr. Horn. Eine Schwangerschaft Silke Maihausers könne er nicht bestätigen.
»Glauben Sie mir, damit wäre ich als Erstes rausgeplatzt. Das wäre doch eine Sensation gewesen. Auch für die Pathologie.« Seine Stimme klingt, nach kurzem Widerstreben, betrübt. »Aber ich habe trotzdem was Interessantes für euch. Betrifft allerdings nicht die Maihauser, sondern unsere zweite Leiche.« Elsa horcht auf. »Der Messerstich, den Aurelia Bramlitz kassiert hat, führte nicht zum Tod. Dafür hat es nicht gereicht.«
»Also ist auch das gefundene Küchenmesser nicht die Tatwaffe«, kombiniert Elsa.
»Sie sagen es«, bestätigt Michael Horn. »Aber es geht noch weiter. Die Bramlitz, und jetzt halten Sie sich fest, ist erstickt worden.«
»Erstickt«, entkommt es Elsa überrascht. »Das ist in der Tat eine brisante Neuigkeit.« Sie lenkt ihren Wagen an den Straßenrand, parkt ihn provisorisch in der Bucht einer Bushaltestelle, um Dr. Horn ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken zu können.
»Ich habe vier dunkelblaue Fäden in ihrer Lunge gefunden. Die muss sie tief eingeatmet haben.«
»Wo könnten die Fäden herstammen?« Elsas Gehirn arbeitet auf Hochtouren.
»Dunkelblau. Vielleicht von einem Kissen oder einem Anzug, vermute ich mal. Aber das ist nur so dahergeredet, eh klar«, merkt Hörnchen an. »So was, wie das, was der Bramlitz passiert ist, nenn ich den rechtsmedizinischen Albtraum. Da ist schwer draufzukommen. Man hat ihr ein Kissen oder irgendetwas anderes Weiches, das ist aber lediglich eine Vermutung von mir, übergezogen und einfach so lange gewartet, bis ihr die Luft ausging. Dann war finito. Sendepause. Ein stiller Tod. Allerdings müssten Kohlenmonoxidspuren vom Erstickungsopfer im Kissen oder was auch immer es war, mit dem sie erstickt wurde, nachzuweisen sein. Sicher auch Speichelreste. Vielleicht sogar Blut.«
»Dann müssen wir also nur noch das besagte Erstickungsutensil finden«, spekuliert Elsa.
»Genau«, stimmt Hörnchen zu. »Was meine Erkenntnisse anbelangt, würde ich sagen, hiermit ist die Jagd eröffnet.«
»Eine Frage noch. Wieso der Messerstich?«, denkt Elsa laut nach. »Ich meine, wenn man das potenzielle Opfer hinterher ohnehin erstickt.«
»Keine Ahnung! Ihr seid die Ermittler. Vielleicht ist die Messerattacke im Affekt passiert. Auf jeden Fall war sie nicht tödlich. Vielleicht ist zuerst auch der Erstickungstod eingetreten und danach die Wunde mit dem Messer zugefügt worden. In den Gehirnen diverser Täter gehen die seltsamsten Dinge vor.« Hörnchen steht in diesem Moment sicher im weißen Mantel in seinem Allerheiligsten und spekuliert laut vor sich hin.
»Aber das ergibt keinen Sinn. Weshalb sollte jemand doppelt töten beziehungsweise eine gut sichtbare Verletzung zufügen, wenn das Opfer sowieso schon k. o. war?« Elsa versteht die Vorgehensweise der Täterin oder des Täters nicht.
»Fragen S’ mi net derlei, Frau Wegener. Dafür sind nun wirklich Sie und unser geliebter Karli zuständig. Meine Verehrung! Ich muss hier weitermachen. An Arbeit mangelt’s mir wirklich nicht, wie Sie sich vorstellen können. Rufen Sie an, wenn’s weitere Fragen gibt. Den Bericht hab ich derweil als PDF-Datei geschickt.«
»Danke, Dr. Horn. Vielen Dank, dass Sie noch mal nachgehakt haben. Hervorragende Arbeit«, bedankt sich Elsa.
»Ich mache nur meinen Job. Obwohl …« Dr. Horn zögert. »Wenn eine Frau wie Sie mir ein Lob ausspricht, sollte ich’s vermutlich still genießen.«
Lächelnd drückt Elsa den roten Knopf ihres Handys. Ohne in den Rückspiegel zu schauen, lenkt sie den Wagen aus der Haltebucht. In dem Moment fährt ihr der Bus, für den die Haltestelle vorgesehen ist, fast hinten drauf. Entnervtes Hupen. Hoch oben, hinterm Steuer, gestikuliert der Fahrer wild in ihre Richtung. Elsa hebt entschuldigend die Hand. Der Golf schert aus, verlässt den Seitenstreifen und reiht sich mühelos in den Verkehr ein.
Anna hat die ersten Unterrichtsstunden überstanden. In der Pause erreicht sie, nach unendlich vielen Anläufen, Beate.
»Sag mal, bist du abgetaucht, oder was geht ab?« Anna ist dermaßen wütend, dass sie Beate am liebsten die Freundschaft kündigen würde. »Call later!«,
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