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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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sonst noch.«
    Degenwalds Augen verengen sich zu Schlitzen. Sein Blick sagt deutlich: Halt.
    Elsa bemüht sich, es zu ignorieren. »Sie haben Silke geliebt. Und eines schönen Tages war sie schwanger. Von Ihnen. Zumindest hat sie das behauptet. Hat Sie die Neuigkeit, bald Vater zu werden, sehr durcheinandergebracht?« Elsa erwartet keine Reaktion und redet weiter. »Haben Sie ab diesem Zeitpunkt, als Sie annehmen konnten, dass Ihre Geliebte ein Kind von Ihnen unterm Herzen trug, überhaupt noch klar denken können?« Elsa ist derart nah an Degenwald – der am Rücken seiner Garnitur lehnt, während sie mit ihrem das Holz des einzigen Schrankes im Raum ertastet – herangetreten, dass sie seinen Atem spürt.
    »Hören Sie auf! Sie gehen entschieden zu weit«, unterbricht er sein beherrschtes Schweigen. »Ich höre mir diesen Unsinn nicht länger an.«
    »Ach, wirklich. Ist das Ihr Ernst? Ich kann Sie vorladen lassen, wenn Ihnen das lieber ist. Dann reden wir im Büro weiter.«
    Völlig unerwartet packt Degenwald Elsa bei den Schultern und stiert sie an. Sie spürt körperlich, wie die Zeit sich in zwei Hälften teilt. Sauber, wie mit einem Messer durchtrennt. Die eine Hälfte ist die Zeit vor diesem Gespräch und die andere die danach. Ob sie mit ihrer Aktion zu weit gehen könnte, die Frage hat sich ihr bisher nicht gestellt. Doch es ist dieser Augenblick, in dem sie leise in ihr aufsteigt. Ballongleich, zuerst unbeschwert, dann von Degenwalds Blick angeheizt.
    Plötzlich weiß Elsa nicht mehr, ob ein Teil der Wirklichkeit um sie herum in Verwirrung gerät oder ob sich das Ganze nur in ihrem Gedächtnis oder ihrer Vorstellung abspielt, beides offenbar vor Unordnung strotzend.
    »Sie gehen unprofessionell und dazu unhöflich vor.« Degenwald hat sie losgelassen und die Arme fest vor seinem Bauch verschränkt. Die unerbittliche Härte seiner Stimme lässt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aussage.
    »Sehr interessant«, schießt Elsa zurück. »Sie hielten es bis jetzt weder für nötig, von Ihrer Affäre zu berichten. Noch davon, dass Sie Vater werden sollten. Was ist damals passiert? Bekomme ich darauf eine Antwort von Ihnen oder muss ich die Zusammenhänge selbst herausfinden? Dass ich es tun werde, muss ich nicht versprechen. Das wissen Sie bereits.«
    »Verlassen Sie mein Haus. Sofort!«
    Degenwalds Blick deutet Richtung Treppe.
    »Sie hatten ein Motiv, Silke Maihauser umzubringen, Dr. Degenwald.«
    »Ja, ich hatte eine Affäre mit Silke, aber das hat nichts mit dem Mord an ihr zu tun. Ja, sie sagte, dass sie ein Kind erwarte – woher Sie das wissen, will ich lieber gar nicht erfahren. Aber dann war sie plötzlich tot. Und offenbar war sie doch nicht schwanger gewesen. Sonst hätten wir das längst von Michael Horn erfahren. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    Degenwald hat das Nötigste ausgespuckt wie schlechtes Essen, während er Elsa die Treppe hinunter begleitet.
    »Sehr hilfreich, sehr entgegenkommend. Muss ich dankbar sein, dass Sie doch noch reden? Zumindest das Allernötigste. Sozusagen die bescheidene Variante der komplexen Wahrheit? Sie wissen schon, dass das Ganze Ihren Kopf kosten kann?«
    Zum ersten Mal, seit sie in seinem Haus ist, spricht Elsa etwas aus, das Degenwald offenbar gelten lässt. Er zuckt kurz mit der Schulter, senkt den Blick und hebt ihn dann wieder.
    »Gute Nacht, Frau Wegener. Wo kein Feuer ist, muss man nicht löschen.« Seine Hand fährt ihren Rücken entlang, bugsiert sie, fraglos schnell und geübt, die letzten Stufen hinunter. Unten öffnet er die Tür, schaut sie an, mit fast traurig erschrockenem Blick. Keine weitere Erklärung, nichts. Er schließt die Tür hinter ihr.
    Da steht sie nun. Vor Degenwalds Haustür. Die halbdunkle Landschaft um sie herum zerfällt in unordentliche Einzelteile. Bäume, Häuser, Autos. Alles in ihrem Kopf beginnt mit einem Mal zu einem fernen Gespenst zu verkommen.
    Mit erzwungener Ruhe tritt sie den kurzen Heimweg an, überlässt sich den sich überschlagenden Gedankenfetzen, die nicht länger wissen, was richtig und was falsch ist.

12. Kapitel
    Wenige Stunden später – der Morgen ist noch jungfräulich – parkt Karl Degenwald seinen Wagen demonstrativ neben Götz Bramlitz’ Jeep mit dem auffälligen Kennzeichen. Nach einem Glas Rotwein mit Michael Horn am vergangenen Abend und der unleidlichen Geschichte mit Elsa Wegener steht für ihn fest, wen er ins Visier zu nehmen hat. Harte Bandagen sind angesagt. Anders

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