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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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einen Körper verleihen und eine Stimme. Seine Form der Intuition. Warum sollen immer nur Frauen mit dem Wort hausieren gehen dürfen?, fragt er sich. Dann fällt ihm Elsa erneut ein. Dass er ihr aus dem Weg gehen wird, ist ihm längst klar. Wenn er an sie denkt, wird er still. Das stört ihn. Mehr, als die verbalen Attacken, die sie ihm anfangs und auch letzte Nacht geliefert hat. Damit kann er umgehen. Ihre Freundlichkeit dagegen, ihr Entgegenkommen, das er ebenfalls kennenlernen durfte, als er bei ihr zum Essen eingeladen war, spielen ihm diese Stille zu. Ein harmonisches Gefühl, das das Lärmen ausblendet. Friedvolle Stille. Fast greifbar. Gegen dieses Gefühl muss er angehen. Davor hat er eine Heidenangst.

     
    Das Verhör war starker Tobak. Eine eigene Geschichte sozusagen. Degenwald hatte harmlos begonnen. Zuerst hatte er nach Bramlitz’ Ehe gefragt. Ohne auf etwas Spezielles anzuspielen. Als mit dieser gewöhnlichen Frage eröffnet war, kam er mit der nächsten, der nach den Hintergründen. »Private Hintergründe, um genau zu sein«, sagte er.
    »Welche Hintergründe?«, hatte Bramlitz unwissend getan. »Es gibt keine.«
    Dabei schien es, als wolle er in sich selbst verschwinden. Seinen Körper auslöschen und so einer verzwickten Situation entgehen. Degenwald war darauf trainiert, auch noch die kleinste körperliche Reaktion als Antwort auf das Verhör zu deuten.
    Er wolle sämtliche Einzelheiten erfahren und werde auch nicht davor zurückschrecken, jeden, wirklich jeden Verrückten danach zu fragen.
    »Kommt das einer Kriegserklärung gleich?«, hatte Götz Bramlitz forsch erwidert.
    »Wenn Sie es so ausdrücken wollen.« Degenwald war gelassen und bestimmt zugleich geblieben. »Ich habe zwei Morde aufzuklären. Und ich habe keine Lust zu warten, bis ein dritter geschieht.«
    »Reden wir von dem an meiner Frau. Der interessiert mich persönlich«, polterte Bramlitz, wie es seine Art war. »Ich würde einen Finderlohn aussetzen, um den Kerl vor mir zu haben, den Abschaum, der so was tut. Wie kann man nur eine Frau wie Aurelia töten? Die Liebenswürdigkeit in Person. Wie kann man nur einem Menschen wie ihr so was antun?«
    Durch die schweren Vorhänge in Bramlitz’ Büro fiel eine Schneise Licht.
    »Interessante Frage«, hatte Degenwald zugestimmt. »Ein Messerstich in den Rücken. Hinterrücks, um es noch deutlicher zu machen. Ein Sterbebett am Wössener See. Und, um das Maß voll zu machen, wird auch vorm Ersticken nicht zurückgeschreckt. Wie viel Fantasie, wie viel Ausdauer muss man haben? Mir gehen genau diese Überlegungen durch den Kopf. Aber ich vermute, dass diese alte Geschichte, dieses ständige Fremdgehen, dieses aufbrausende Getue um Sex und Hörigkeit selbst einem feinen, sensiblen Menschen wie Aurelia irgendwann zu viel wurden. Diese Geschichte ist wieder aktuell geworden. Durch den Fund von Silke Maihausers Leiche. In diese verhängnisvolle Geschichte sind Sie involviert, Herr Bramlitz. Sie und Ihre verstorbene Frau. Ist es ihr zu dumm geworden? Nach all den Jahren der Demütigung vor aller Augen. Hat sie jetzt, nach über 20 Jahren Schonfrist, den Dolchstoß versetzt bekommen? Vordringlich meine ich den psychischen Dolchstoß. Damit wir uns richtig verstehen.«
    Degenwald gönnte Bramlitz nur eine kurze Pause und sprach dann weiter. »Ist Ihnen die Messerattacke schwergefallen? Das Messer, das Sie ihr von hinten ins Herz rammen wollten, als sie herausfand, wie sehr Sie an Silke Maihauser hingen. Wie sehr Sie von ihr abhängig waren. Vielleicht so sehr, dass Sie auch da nicht vor einem Mord zurückschreckten. Hat Ihre Frau das herausgefunden? Hat sie all die Jahre mit einem verschwiegenen Mörder unter einem Dach gelebt? Sind Sie endlich geständig gewesen? Haben Sie den Mord an Silke Maihauser zugegeben? Ganz einfach, weil Sie mussten? Weil Aurelia Ihnen draufgekommen ist? Ein Fehler, den sie mit ihrem Leben bezahlt hat.«
    »Aha«, mehr hatte Bramlitz darauf nicht erwidert. Er hatte sich fürs Zuhören entschieden. Offenbar wollte er herausbekommen, wie viel Pulver Degenwald zu verschießen bereit war. Immer zuerst den Feind verausgaben lassen. Bis er müde wird. Erst dann zum Gegenangriff übergehen. Seine Strategie, wohl aus dem Moment heraus geboren, vermutete Degenwald. Auch auf seine schärfsten Behauptungen reagierte Bramlitz plötzlich gelassen. Keine Zornes- oder Schamröte, die ihm ins Gesicht schoss. Nichts Einlenkendes, weil er überhaupt nicht sprach. Klugheit oder

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