Engpass
kommt man bei einem wie Bramlitz nicht weiter. Dunkelblaue Fasern in Aurelia Bramlitz’ Lungen.
›Dass ich nicht lache‹, hat er vor dem Gerichtsmediziner nicht zurückhalten können.
Tief eingesogen, hat Hörnchen noch mal bestätigt und ihm mit dem Wein zugeprostet. Dunkelblau, da müsse er sofort an einen Anzug denken. Dunkelblau, das trügen sowohl dieser Bramlitz als auch Fred Maihauser liebend gern. Hörnchen hielt nie mit seiner Meinung hinterm Berg. Und das war gut so, fand Karl.
›Das liegt auch für mich auf der Hand‹, hatte er die Überlegungen des Mediziners bestätigt.
Er öffnet schwungvoll die Tür zur Brauerei. Mit Götz Bramlitz kann er nicht so gut. Er bemüht sich, es zu überspielen, aber es gelingt ihm mehr schlecht als recht. Etwas in seinem Inneren kommt ihm immer in die Quere. Wenn er den Brauereibesitzer sieht, macht er dicht. Aurelia dagegen hatte er gemocht. Nur wie Bramlitz mit ihr umgegangen war, das hatte ihm weniger imponiert. Teilweise hatte es ihn sogar abgestoßen. Immer der Tonangebende. Immer der Macho. Das war und ist Bramlitz’ Rolle nach außen. Und Aurelia, seine Frau? Die hatte stets gelächelt. Nicht kaltherzig, auch nicht süffisant oder spöttisch. Sie hatte einfach gelächelt. Freundlich, einnehmend. Er war nie dahintergekommen, wie und weshalb diese wunderbare Frau in seine Nähe geraten war, was in ihrem Kopf vorging. Damals wie heute nicht. Als sie hinter die Affäre ihres Mannes gekommen war, als feststand, dass Silke die ewige Gewinnerin in einem Spiel bleiben würde, in dem ein Spieler zu viel war, auch da hatte Aurelia vermutlich gelächelt.
Degenwald seufzt laut und durchschreitet entschlossen den Gang. An den Wänden bezeugen Bier-Bilder den Erfolg des Unternehmens. Flaschen, Gläser, schaumbenetzte Münder, zufriedene Gesichter beim Trinken. Darunter Werbesprüche, jeweils gekrönt vom bekannten Slogan, auf den Götz Bramlitz besonders stolz ist: ›Besser Bramlitz-Bier!‹ Kurz und bündig. Das merken sich die Leute, hatte er ständig geredet, auch, wenn er nicht danach gefragt worden war.
Degenwald spürt seine verspannte Muskulatur. Er hat schlecht geschlafen. Mehrmals ist er wach geworden. Als nichts half, hatte er sich ein Glas Milch mit Honig warm gemacht und das Beste gehofft. Erfolglos. Er hatte die Nacht mehr durchwacht als verschlafen. Der unerwartete Besuch Elsas hatte ihn nachdenklich, aber vor allem wütend gemacht. Mehr, als ihm lieb war. Konnte man dieser Frau ihre übertriebene Vorgehensweise ausreden? Mitnichten. Was ging nur in ihrem Kopf vor? Zuerst pirscht sie sich an ihn heran, überaus freundlich. Ein angenehmer Abend bei ihr zu Hause, der sofort sämtliche Alarmglocken in ihm zum Schrillen brachte. Er weiß, dass der Gedanke, man könne in Zukunft entspannt und erfolgreich als Team agieren, ein frommer Wunsch ist. Elsa kann wie ein wilder Stier sein. So viel hat er in der kurzen Zeit des Kennens begriffen. Nur, wer ist diese Frau tatsächlich? Hinter der verletzten Fassade der erfolgreichen Kriminalpsychologin. Wem würde er dort begegnen? Manchmal spürt er etwas verrückt Vertrautes zwischen sich und ihr. Ein Gefühl mit viel Erklärungsbedarf. Keinem vernünftigen Argument zugänglich. Degenwald weiß umso weniger, je mehr er grübelt. Deshalb entschließt er sich, es bleiben zu lassen. Alles, was ihm gewiss scheint, ist, dass es noch nicht vorbei ist zwischen ihnen. Mit Gewalt holt er sich zurück ins Hier und Jetzt. Es geht nicht darum, seine Kollegin zu begreifen. Er muss Bramlitz überführen. Zuerst einmal will er ihn nervös machen. Anständig nervös. Bramlitz soll Hören und Sehen vergehen. Degenwald will, dass er sich wie ein Panther im Käfig vorkommt. Seinem eigenen. Erschaffen aus Motiv, übersteigerter Beurteilung und Tat. Später wird er ihn endgültig aus der Reserve locken. So sehr, dass Bramlitz froh sein wird, wenn es vorbei ist. Und als Letztes will er ihn geständig sehen. Niederknien soll er, wegen seiner unauslöschbaren Schuld. Um die Erkenntnis reicher, dass Macht in Wirklichkeit dort beginnt, wo Ruhe, entschlossene Gelassenheit und letztendlich Mitgefühl und Liebe herrschen. Degenwald weiß, dass all das, vorerst, ein frommer Wunsch ist. Trotzdem geht er daran, den Wunsch mit der Wirklichkeit zu vereinen.
Umsehen will er sich. Ein paar Worte mit den Mitarbeitern der Brauerei wechseln, wie nebenbei. Auf Spurensuche gehen. Sich treiben lassen. Das mag er. Das ist seine Methode. Seine Melodie. Dingen
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