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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Dummheit? Das war die Frage. Vielleicht war er aber auch nur perplex. Sprachlos, weil er mit einem derartigen Feuerwerk an Behauptungen gar nicht gerechnet hatte. Degenwald wunderte sich ja selbst. Etwas in der Art, was er hier bot, hatte er sich vorher nicht zurechtgelegt. Er ging aufs Ganze. Er wollte die Konfrontation. Krieg, ohne eine Chance auf Waffenstillstand.
    Degenwald setzte das Verhör beharrlich fort. Zuweilen blickte er sein Gegenüber ehrfurchtgebietend an. Kein Blick, den er üben oder sich vornehmen musste. Es war der Blick, den er Götz Bramlitz durchweg vorbehielt. Dem Mann, dem er alles zutraute. Es war wie ein Schauspiel. Ein Zwei-Personen-Stück. Die Spieler allein auf der Bühne, ohne Bühnenbild. Spielbereit, nachdem der Vorhang hochgegangen war. Der erste Akt hatte begonnen. Das Spiel das Publikum ergriffen. Gepackt saßen sie da. Horchten hinauf. Begutachteten die Darsteller. Applaus für die Motivation, die Energie der beiden. Jeder für sich in Höchstform. Das Ende allerdings blieb offen.
    »Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass ein Mann wie Götz Bramlitz, Sie, diesen Mord begangen hat. Den an Ihrer Frau, um keine Frage offen zu lassen. Und ich wäre dafür, wenn Sie, lieber Herr Bramlitz, diese Bemerkung nicht ausblenden, sondern an sich heranlassen. Aber machen Sie nur, wie Sie glauben. Ich komme Ihnen schon bei.«
    »Ist das eine Drohung?« Langsam rührte sich doch etwas in dem Brauereibesitzer. »Wie viel von diesem Schwachsinn muss ich mir noch anhören?«
    »Es ist mehr als das. Keine Drohung. Wie kommen Sie nur darauf? Es ist ein Versprechen. Das Versprechen, Sie festzunageln.«
    »Ich habe einen brillanten Anwalt. Ich arbeite nur mit den Besten ihres Faches. Den Geschmack seiner Sprache bekommen Sie bald zu schmecken. Nehmen Sie das als Einladung. Die Einladung, weiter mit mir zu kommunizieren. Darauf legen Sie es vermutlich an. Eine mündliche Einladung, speziell für Sie, Hauptkommissar Degenwald.« Bramlitz deutete mit dem Finger auf ihn. Er hatte sich über den Schreibtisch näher zu ihm hinbewegt. Seine Augen starr auf den erklärten Gegner gerichtet. Dabei hatte er seinen Kiefer nach vorn geschoben, schien mit den Zähnen zu malmen, sie ungelenk aufeinanderzuschlagen.
    Na endlich. Es kommt Bewegung in die Sache. Degenwald rieb sich – gedanklich – voller Vorfreude die Hände.
    Bramlitz jedoch griff nach dem Telefon, entschlossen, eine Nummer einzutippen. Die Schwere und Bedrücktheit, die einige Sekunden zuvor von ihm Besitz ergriffen hatten, fielen achtlos von ihm ab. Er war wieder in seinem Element, war der Handelnde. Der, der den Ton angab.
    All das nahm Degenwald, mit seinen auf Empfang ausgerichteten Antennen, auf. Ohne lange zu überlegen, entschied er sich, Bramlitz diesen Moment zu vermasseln. Den würde er vor seinen Augen kappen wie ein Seil, an dem er sich festhält. Er stand auf und blickte von oben auf seinen Gegner herab.
    »Kommen Sie morgen, gegen zehn, in mein Büro. Das hier war lediglich ein kleiner Vorgeschmack. Das Verhör findet dann dort statt. Ihr Anwalt ist selbstverständlich herzlich willkommen.«
    Als er die Tür hinter sich schloss, hörte er, wie Bramlitz ein leiser Fluch entkam.
    Respektable Leistung, Karl! Morgen geht es in die Verlängerung, motivierte er sich. Er ging den Gang, den er zuvor noch in die eine Richtung entlanggelaufen war, nun in die andere.

     
    Elsa hielt sich zur selben Zeit wie ihr Kollege in der Brauerei auf. Da sie ihren Wagen auf der Rückseite des Gebäudes abgestellt hatte, sah sie Degenwalds Audi nicht, bekam nichts vom Beginn seiner Feindschaft mit. Einer, die vorerst einen Anfang gefunden hatte, nach langer Zeit des Sondierens, und die ein Ende offen ließ.
    Elsa hatte anderes im Sinn. Sie steuerte zielsicher Aurelias Büro an. Den Raum, in dem sie erstmals mit dieser faszinierenden Frau zusammengetroffen war.
    Da niemand vom Personal auf sie aufmerksam wurde und sie den langen erleuchteten Gang ohne quälende Fragen nach dem Grund ihres Auftauchens geschafft hatte, betrat sie Aurelias Reich unbemerkt. Dort angekommen, schloss sie sachte die Tür hinter sich, um Ruhe und Zeit zu gewinnen. Ein flüchtiger erster Blick nahm den Schreibtisch ein und ließ ihre Finger geschickt Papiere vorsortieren. Offenbar Unwichtiges wurde beiseite geschoben, vorsichtig, um ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen und nichts zu übersehen. Den Verdacht vorschnell tastender Hände, die nach einem Motiv suchten, einer

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