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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Witze. Frauen, die über meine Witze lachen, muß man einfach mögen. Zumal, wenn sie jung sind. Und hübsch.«
    »Walter…«
    Weitzman drehte sich zu Baracke 3 um. Er hatte seinen Standort gut gewählt, mit dem Instinkt eines Mannes, der früher einmal gezwungen war zu lernen, wie man sich absichert, wenn man überleben will. Niemand konnte sich von hinten anschleichen, ohne den Tennisplatz zu betreten. Niemand konnte von vorn kommen, ohne gesehen zu werden. Und wenn jemand sie aus der Ferne beobachtete - nun, was konnte er sehen außer zwei alten Kollegen, die miteinander plauderten?
    »Das Ganze ist organisiert wie eine Fabrik.« Er hakte seine Finger in den Maschendraht. Seine Hände waren weiß vor Kälte. Sie umklammerten den Stahl wie Klauen. »Die entschlüsselten Funksprüche kommen auf einem Fließband aus Baracke 6. Sie gehen zuerst zur Wache, wo sie übersetzt werden - das wissen Sie, das ist mein Ressort. Zwei Wachen pro Schicht, eine für Eilmaterial, die andere für Überholtes. Übersetzte Luftwaffenfunksprüche gehen dann zu 3 A, die vom Heer zu 3 M. A für air, M für military. Herr im Himmel, ist das kalt. Frieren Sie nicht? Ich zittere am ganzen Körper.« Er holte ein schmutziges Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. »Die Offiziere vom Dienst entscheiden, was wichtig ist, und geben dem eine Z-Priorität. Ein einziges Z ist relativ unwichtig - Hauptmann Fischer wird zur deutschen Luftflotte in Italien versetzt. Ein Wetterbericht würde drei Z bekommen. Fünf Z ist pures Gold - wo Rommel morgen nachmittag sein wird, ein bevorstehender Luftangriff. Die Erkenntnisse werden zusammengefaßt, dann werden drei Kopien auf den Weg gebracht - eine an den SIS am Broadway, eine an die entsprechende Stelle in Whitehall, eine an den jeweiligen Befehlshaber an der Front.«
    »Und der German Book Room?«
    »Alles wird in die Kartei aufgenommen; jeder Offizier, jedes Stück Ausrüstung, jeder Stützpunkt. Die Information über die Versetzung von Hauptmann Fischer zum Beispiel mag ziemlich wertlos erscheinen. Aber dann konsultiert man die Kartei und sieht, daß er zuletzt bei einer Radarstation in Frankreich stationiert war. Jetzt ist er nach Bari geschickt worden. Also installieren die Deutschen in Bari Radar. Sollen sie es bauen. Und dann, wenn es fast fertig ist, bombardieren wir es.«
    »Und das ist das German Book?«
    »Nein, nein.« Weitzman schüttelte verärgert den Kopf, als wäre Jericho ein ziemlich dämlicher Student in seinem Hörsaal in Heidelberg. »Das German Book steht ganz am Ende dieses Prozesses. Dieses ganze Papier - der Funkspruch, die entschlüsselte Version, die Übersetzung, die Z-Markierung, die Liste der Querverweise -, Tausende von Seiten kommen am Ende zusammen, um registriert zu werden. Das German Book ist eine wortgetreue Kopie von allen entschlüsselten Meldungen in der Originalsprache.«
    »Ist das ein wichtiger Job?«
    »In intellektueller Hinsicht? Nein. Pure Schreibarbeit.«
    »Aber in Hinsicht auf den Zugang zu geheimem Material?«
    »Ach, da sehen die Dinge etwas anders aus.« Weitzman zuckte die Achseln. »Das hängt natürlich von der betreffenden Person ab, ob sie sich die Mühe macht, zu lesen, was ihr in die Finger kommt. Die meisten tun es nicht.«
    »Aber theoretisch?«
    »Theoretisch? An einem ganz gewöhnlichen Tag? Eine Frau wie Claire würde vermutlich mehr über die Details von Operationen der deutschen Streitkräfte erfahren als Adolf Hitler.« Er warf einen Blick in Jerichos ungläubiges Gesicht und lächelte. »Absurd, nicht wahr? Wie alt ist sie? Neunzehn? Zwanzig?«
    »Zwanzig«, murmelte Jericho. »Mir hat sie immer erzählt, ihr Job wäre langweilig.«
    »Zwanzig! Das ist der größte Witz in der Geschichte der Kriegsführung. Schauen Sie uns doch an: die flatterhafte Debütantin, der schwächliche Intellektuelle und der halbblinde Jude. Wenn die Herrenrasse sehen könnte, was wir ihr antun - manchmal ist es allein dieser Gedanke, der mich aufrechterhält.« Er hob seine Uhr dicht vor sein Gesicht. »Ich muß zurück. Coker dürfte inzwischen einen Haftbefehl gegen mich erlassen haben. Ich fürchte, ich habe zuviel geredet.«
    »Durchaus nicht.«
    »Doch, das habe ich.«
    Er ging auf das Tor zu. Jericho wollte ihm folgen, aber Weitzman hob eine Hand, um ihn daran zu hindern. »Warten Sie besser hier, Tom. Nur einen Moment. Lassen Sie mich zuerst verschwinden.«
    Er verließ den Tennisplatz. Als er an der anderen Seite des Zauns entlangging, schien

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