Entbrannt
Ihr Gesicht wurde misstrauisch.
Dapper bedachte sie mit einem wissenden Lächeln. »W as kann ich dafür, dass du uns nicht gefunden hast. Wir sind gut darin, unbemerkt zu bleiben.«
Griffin sah die Übrigen von uns an, die wir historisch nicht so bewandert waren. »D ie ersten Patriarchen waren die direkten Nachfahren Adams – ein Stammbaum, der bis hinunter zu Noah reicht. Sie hatten bestimmte einzigartige Eigenschaften, einschließlich einer Lebensdauer, die fast tausend Jahre erreichen konnte – aber man geht davon aus, dass sie alle durch die Sintflut ausgelöscht wurden.«
»A ber ist nicht Phoenix ein Nachkomme Adams?«, fragte ich.
Griffin nickte. »I st er, aber Adam hat Lilith vor der Erbsünde geschwängert– er stammt von der unsterblichen Version der Menschheit ab. Die ersten Patriarchen stammen von Adam ab, als dieser schon sterblich war– und von seiner sterblichen Partnerin. Sie sind die Vorfahren der Menschheit, so wie wir sie kennen.«
Dapper seufzte und man spürte seine Angst davor, sein Geheimnis schließlich preiszugeben. »N ach der Flut existierte die Blutlinie im Geheimen weiter. Unser Stammbaum ist weitläufig, und unsere Rolle ist dieselbe geblieben– wir sammeln Wissen und schreiben es auf. Unsere Leben sind lang, damit wir so viel wie möglich an Wissen beitragen können. Unser Ziel ist es, im Hintergrund zu bleiben. Wir schlagen uns nie auf eine Seite, sondern dokumentieren nur die Ereignisse.«
»D eshalb wolltest du in nichts verwickelt werden«, sagte ich und hatte wieder ein schlechtes Gewissen, weil wir ihn in unseren Schlamassel mit hineingezogen hatten.
Er zuckte mit den Schultern. »A lte Gewohnheiten. Meine Stellung als Patriarch habe ich allerdings schon vor langer Zeit an andere, willigere Familienmitglieder abgegeben. Im Grunde bin ich nur ein langlebiger Barmann mit gewissen regenerativen Kräften, die ich ab und zu teilen kann.« Er warf einen Blick auf Steph und Onyx.
Onyx kippte sich ein Schnapsglas voll von irgendeinem Getränk hinunter und knallte das Glas zurück auf die Theke. Ihm war gerade klar geworden, dass Dapper derjenige war, der ihn nach dem Überfall der Verbannten geheilt hatte. Stephs Hand wanderte zu ihrem Gesicht. Sie hatte den gleichen Schluss gezogen.
»W as ist das für ein Buch, von dem du gesprochen hast?«, fuhr Evelyn fort, wobei sie die Reaktion der anderen auf Dappers Enthüllung ignorierte und zur Tagesordnung überging.
»W isst ihr, wie die Bibliothek von Alexandria zerstört wurde?«, fragte Dapper alle Anwesenden.
»D as weiß niemand so genau«, tönte Steph. »M anche sagen, dass das Feuer von Julius Cäsar gelegt wurde.«
Onyx nickte. »U nd Markus Antonius hat Tausende von Schriftrollen geklaut, um Kleopatra den Hof zu machen.«
Dapper nickte.
»E ine andere Theorie besagt, dass der Patriarch Theophilos die Bücher zerstören ließ, als er den heiligen Serapis-Tempel in eine christliche Kirche verwandelte«, fügte Griffin hinzu.
»O der, dass Kalif Omar den Befehl gab, den Bibliotheksbestand zu vernichten, als er Alexandria eroberte«, sagte Dad.
Als sich alle umdrehten und ihn anstarrten, lachte er trocken. »W as ist? Ich habe Geschichte studiert. Omar befand den Inhalt der Bibliothek für ›überflüssig‹.«
»G lückliche Zeiten«, warf Spence ein und erntete dafür einen strengen Blick von Griffin.
Dapper ging zur Minibar zurück und schenkte sich einen Drink ein. »U nd über was für einen Zeitraum erstrecken sich diese Ereignisse?«
»S echs- oder siebenhundert Jahre«, antwortete Steph rasch.
Dapper schenkte ihr ein Lächeln. Das war eben Steph– intelligent wie die Besten unter ihnen und nicht zu übertreffen.
»D ie Wahrheit ist, dass die Patriarchen den Glauben an die Welt der Menschen verloren hatten. Den Menschen konnte nicht länger anvertraut werden, dieses Wissen– und vor allem die Elemente der Macht– sicher zu bewahren und in Ehren zu halten. Bei allen diesen Ereignissen nutzten die Patriarchen die Ablenkung, die Schriftrollen zu entfernen– eine nach der anderen, angefangen bei den wichtigsten. Im Lauf der Zeit verwandelten sie sie in Bücher und übersetzten sie wenn möglich– die vorherige Übersetzung wurde dabei jeweils vernichtet. Von jedem Text existiert deshalb immer nur eine Version.«
»W arum?«, fragte Lincoln.
»D ie Patriarchen trauen den Menschen nicht. Wissen ist Macht.«
Lincoln nickte. Das sagte alles.
Ich musterte Onyx– der seit Dappers Enthüllung kein Wort
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