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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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dann kam sie in den Rosenduft. Über die Mauer fielen helle Rosen. Im tiefen Dämmer. Sie konnte die Farbe nicht genau ausnehmen. Der Rosenstrauch stieg aus dem Gebüsch rund um die Kirche hoch über die Mauer. Die Zweige fielen bis zum Gehsteig. Fielen ihr in den Weg. Sie musste ausweichen. Auf die Straße hinuntersteigen. Die Rosen eine Masse heller Flecken auf dem Dunkel der Blätter und Zweige. Und der Geruch. Sie blieb stehen. Fast dunkel hier und schattig. Verstecke für alle Schandtäter. Die Angst. Sie atmete den Duft. Den Rosenduft. Der Rosenduft ein solches Wohlgefühl. Die Abendluft ein wenig kühler. Der Rosenduft hing an dieser Stelle. Unbewegt. Still. Sie stand unter den Rosen. Cremefarbene Rosen. Sie dachte, die Rosen waren cremefarben. Rosig abgesetzt cremefarben. Der Geruch ließ sie diese Farben denken. Sie atmete tief. Was für eine Erlösung es war, einen so wunderbaren Duft zu atmen. Sie ging weiter. Drehte wieder um. Stellte sich in den Duftschatten und sog den Geruch ein. Und einen Augenblick lang war es vollkommen gleichgültig, was sie alles nicht wusste. In den Häusern auf der anderen Straßenseite. Die Häuser hier alle klein. 2 Stockwerke und schmal. Die Fenster beleuchtet. Stimmen aus einem Garten hinter den Häusern. Lachen. Selma atmete Rosenduft. Sie lächelte. Jetzt hatte sie doch noch einen Schatz gefunden. Sie ging weiter. Überlegte, noch einmal zurückzugehen. Aber sie hatte Hunger. Plötzlich hatte sie Hunger. Sie musste sich etwas zu essen suchen. Sie hätte jetzt das Risotto gegessen. Auch wenn die Reiskörner sehr al dente gewesen waren. Aber sie schlenderte. Der Rosengeruch. Die Erinnerung an den Rosengeruch ließ keine Hast zu. Ließ kein schnelles Dahin aufkommen. Sie ging. Wanderte. In der nächsten Straße die Häuser etwas größer. Drei Stockwerke. Aber immer Gärten. Weiße Gartenzäune. Abendrot. Abendrot im Westen. Sie überlegte, ob sie sich daran orientieren konnte. Sie musste eine U-Bahnstation finden. Dann wusste sie, wo sie war und konnte zurück. Zum Hotel. Sie wanderte. Kaum Autos an ihr vorbei. Kaum jemand ging. Alle schienen in ihren Wohnungen und Gärten und Terrassen zu sein. Die Lichter in den breiten Fenstern. Sie konnte in die Wohnungen sehen. Konnte sehen, welcher Stil. Dicke Sofas mit Chintzüberzügen. Geblümt oder Paisleymuster. Weiße Sofas. Ledersofas in Schwarz oder Braun. Chippendale-Sofas. Sie ging eine lange Straße hinunter. An den Fenstern entlang. Wenig Bücher. Es waren wenig Bücherwände zu sehen. Es fiel ihr auf, weil eines dieser Zimmer mit Büchern voll gestopft war. Vom Boden bis zur Decke Bücher. Und in hohen Stößen auf dem Boden. Ein einziger Lesesessel neben einer Stehlampe. So hatte sie sich das vorgestellt. Ein solches Zimmer. Das hatte sie gehabt. Sie ging. Sie versuchte an die Maxingstraße zu denken. Und an ihr Arbeitszimmer da. Mit ihren Büchern. Aber sie war hungrig. Sie war müde. Die Maxingstraße erstand nicht vor ihren Augen. Nicht vollständig. Und das war ja jetzt auch alles gleichgültig. Sie würde morgen überlegen, was sie tun sollte. Was die Situation bedeutete. Jetzt wollte sie etwas essen. Und einen kalten Weißwein dazu. Das Gläserklirren in den mews hatte ihr Lust gemacht. Der Geschmack eines hellen Weißweins. Sie ging. Allen Street. Scarsdale Villas. Abingdon Road. Stratford Road. Sie wandte sich auf Earl’s Court Road nach links. Hier wieder Verkehr. Lärm. Gedränge. Autos. Sie überquerte Cromwell Road und folgte einem Schild nach Child’s Place. Kleine Geschäfte. Pubs. Eine Pizza Hut. Menschen standen auf dem Gehsteig. Hielten Biergläser in der Hand. Weingläser. Es wurde gelacht. Sollte sie sich etwas holen und auf das Mäuerchen zu einem Nachbarhaus setzen. An der Luft bleiben. Ein leichter Wind. Sie konnte sich etwas zum Essen hier holen. Oder in die Pizza Hut setzen. Warum nicht eine Pizza. Das Licht im Lokal. Gelb gedämpft. Das Lokal fast leer. Sie konnte sich in die Ecke setzen und in Ruhe. Sie ging weiter. Sie konnte sich auch etwas mitnehmen. Sie konnte zum Hotel und in der Bistrobar gleich neben dem Hotel. Oder im Hotel. Das hatte ja auch ein Restaurant. Sie ging. Das hatte Zeit. Es war noch nicht 10 Uhr. Vor 1 Uhr schlief sie jetzt nie ein. Das Gehen würde ihr gut tun. Sie würde besser schlafen. Sie hatte zu wenig Bewegung. Aber sie dachte das nur so leichthin. Es war alles gleichgültig. Sie ging in einer Sommernacht in London dahin. Sie war allein. Und wenn sie wirklich wollte,

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