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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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darüber gesprochen. Das waren Frauen gewesen, die Auskunft über die Bedürfnisse und Leiden der Männer gegeben hatten. Und Geld verdient hatten. Damit. Mit dem Anhören. Und mit dem Weitererzählen. Sie hatte jetzt niemanden mehr. Keinen Mann. Jedenfalls. Mit dem sie darüber reden hätte können. Wie kam es zu so einem Mythos. War das wirklich so. Konnte es sein, dass jemand nur an einem solchen Aspekt litt. Wenn sie so dick gewesen wäre. Sie hätte sich über alles gekränkt. Sie konnte sich nicht vorstellen, einen bestimmten Aspekt einer solchen Figur noch schlimmer finden zu können. Oder einen anderen weniger schlimm. Sie stand da. »Count your blessings.« dachte sie. Aber vielleicht war das einfacher. Dick sein. Eine Hoffnung, die noch überwunden werden musste. Du wirst dünn und dann beginnt das Glück. Das war nur so wie mit den Beinen. Dieser Mann hatte ganz wunderbare Beine. Selbst auf den nicht so guten Zeichnungen waren die Beine. Die Waden. Die langen schmalen Füße herausgearbeitet. Aber was wusste sie über Glück. Was wusste sie überhaupt. Sie sah die Zeichnungen der Reihe nach an. Bleistift. Silberstift. Kohle. Das Modell stehend. Den rechten Arm gehoben. Die Hand im Nacken. Der Kopf nach links gewandt. Der schöne Kopf. Sie trat zurück. Sie konnte jetzt sehen, dass die Sessel um die Bühne standen und dass die Bühne mit einem Scheinwerfer beleuchtet war. Das bedeutete »studio«. Offenkundig. Sie ging durch den Raum an die Bar. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute über die Theke. Es war niemand da. Sie schaute sich um. Ein Eisbehälter. Zitronen. Ein Brett mit einer zerschnittenen Zitrone. Ein Tupperware-Behälter mit Minzeblättern. Ein Mixer. Sie überlegte. Die Tür hinter der Bar ging auf. Ein Mann kam die Stufen von der Tür zur Bar herauf. Der Mann von den Aktzeichnungen stapfte die Stufen herauf.

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    »But you are early.« sagte der Mann. Selma starrte ihn an. Sie wandte sich in Richtung der Aktzeichnungen. Hielt sofort wieder inne. Der Mann nickte. Ja. Das sei er. Und deshalb freue er sich, dass sie gekommen wäre. Er habe es nämlich satt, immer einzuspringen. »I am perfectly fed up with filling in.« sagte er und grinste. Und natürlich könnte er mit seiner Fülle besser ausfüllen, aber er sei sehr froh, dass sie wieder ein schlankes Modell hätten. Das täte allen gut. Füllige Menschen. »Persons of substance«, sagte er. Die wären ja einfach zu zeichnen. Die Schlanken. An denen müsste man sein Können nachweisen. Selma hörte ihm zu. Sie wollte ihn unterbrechen. Aber ihr Englisch war verschwunden. Sie verstand ihn als spräche er deutsch, aber sie konnte ihm nicht antworten. Sie sah ihn an. Was sie trinken wolle. »Wasser.« sagte sie. Er schraubte eine Flasche Sodawasser auf. Schenkte ein. Sie wäre nur wirklich zu früh. Aber der Film habe gerade begonnen. Oder der beginne gerade eben. Sie sollte sich den anschauen. Dafür wäre gerade Zeit. Das Modellstehen. Da würde nicht vor Mitternacht begonnen. So um Mitternacht. Da wären dann alle da. Ob man ihr das nicht gesagt habe. Er reichte ihr einen Plastikbecher mit Wasser. Der Film. The movie. Das wäre da. Er wies nach hinten. Nach unten. Da wo er hergekommen war. Und dass sie 10 Pfund bekäme. Wäre das o.k. Sie nahm das Wasser. Sie ging um die Theke. Stieg hinter dem Mann die Stufen hinunter. Er hielt ihr die dicke Studiotür auf. Sie schlüpfte in den Raum. Er blieb draußen. Die Tür schloss sich. Bevor sie ganz zufiel, hielt der Mann die Tür fest. Er steckte den Kopf in den Raum. Wie ihr Name sei. Er habe sie nicht gefragt. »Sorry.« »My name is Thelma.« sagte sie. Die Tür schloss sich wieder. Die Türklinke wurde von außen niedergedrückt. Die Tür schalldicht abgeschlossen. Die Leinwand rechts. Sessel. Ungeordnet. In der Ecke saß ein Paar. Vorne eine Gruppe. 5 oder 6 Personen. Alle sahen nach vorne. Selma ging nach hinten. Auf Zehenspitzen. Sie setzte sich an die Wand. Sie zog einen Sessel noch weiter nach hinten. Sie setzte sich. Lehnte sich gegen die Wand. Dann stand sie noch einmal auf und holte einen zweiten Sessel. Sie stellte ihn quer. Für ihre Beine. Sie legte die Beine auf die Sitzfläche. Dann stützte sie die Füße auf den Querstreben auf. Die anderen Personen sprachen leise. Es lief ein Vorspann. Namen und Daten. Das Knistern einer uralten Filmvorführung. Ein Stummfilm. Selma lehnte sich zurück. Sollte sie sich das antun. Stummfilm. Das war ihr langweilig. Sie hatte sich immer

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