Entfesselt: House of Night 11 (German Edition)
davon, dass Neferet sich weiß der Geier wo versteckte, wäre es wirklich, wirklich schön gewesen, sich in Rephaims Armen zusammenrollen und sich geliebt und geborgen fühlen zu können.
Stattdessen hatte sie ihm kurz vor Sonnenaufgang draußen tschüss gesagt und war allein ins Zimmer geschlappt, das sie sich mit Shaunee teilte. Stevie Rae hatte sich das Bett am Fenster ausgesucht, auch wenn sie wusste, dass das nicht die klügste Wahl war. Das Fenster zeigte nach Osten und bekam morgens die Sonne voll ab. Ohne die Lichtschutzvorhänge wäre sie wie ein Stück Speck in der Pfanne gebraten worden.
Aber die Lichtschutzvorhänge waren da, schwarz und schwer und so fest zusammengebunden, dass sie sich selbst in der stärksten Brise nicht rührten, obwohl Stevie Rae den ganzen Tag das Fenster offen ließ. Das war gut, denn sie würde ihr Fenster niemals geschlossen halten. Was, wenn Rephaim sie im Lauf des Tages bräuchte? Wenn er als Rabe in Schwierigkeiten käme und sich an einen sicheren Ort flüchten müsste? Sie wollte einfach glauben, dass auch in dem Tier etwas von dem Jungen blieb, den sie liebte.
Deshalb wünschte sie sich, er ließe sie bleiben, während er sich verwandelte. Sie hatte sich viele Gedanken darum gemacht. Sie fragte sich, ob sie nicht versuchen könnte, ihn zu berühren – ihn zu zähmen.
Schließlich
, hatte sie an dem Tag zu ihm gesagt, nachdem die Göttin ihm vergeben und ihm in der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang gewährt hatte, menschliche Gestalt anzunehmen,
hab ich schon mal ein wildes Wesen gezähmt
.
Vielleicht kann ich’s ja noch mal!
Sie hatte geglaubt, Rephaim würde lächeln wie üblich – ihre Gegenwart schien ihn so glücklich zu machen. Aber er hatte nicht gelächelt. Er war ganz ernst geworden und hatte ihre Hände in seine genommen.
Als ich ein Rabenspötter war, hatte ich einen gewissen Anteil Menschlichkeit in mir. Denk daran, jetzt ist es anders. Wenn ich ein Junge bin wie jetzt, bin ich komplett menschlich. Wenn ich ein Rabe bin, bin ich nichts als ein Tier. Ich kenne dich dann nicht. Ich kenne nicht einmal mich selbst. Ich kenne dann nur den Himmel und das Bedürfnis, auf dem Wind zu reiten
.
Das hatte ihr Angst gemacht. Und sie hatte es ihm gesagt. Sie verbarg nichts vor ihm – dazu waren sie sich zu nahe.
Aber du kommst immer zu mir zurück. Das muss doch heißen, dass in dem Raben noch etwas von dir ist.
Er hatte traurig ausgesehen, aber auch er hatte ihr die Wahrheit gesagt – wie sie es sich gegenseitig versprochen hatten.
Wenn ich ein Rabe bin, bin ich ein Tier. Ich weiß nichts von Liebe oder von dir. Bitte rede dir nichts ein, was nicht stimmt
.
Aber du kommst zu mir zurück!
Stevie Rae.
Er hatte ihr Gesicht zwischen die Hände genommen.
Ich glaube, das ist nur dank Nyx’ Magie so.
Als wenn sie dir ’n GPS eingesetzt hätte, dass du mich immer wiederfindest?
GPS ?
Moderne Magie, die einem hilft, nach Hause zu finden.
Er hatte gegrinst.
Ja. Nyx hat mir ein GPS eingesetzt, damit ich dich immer wiederfinden kann
.
Stevie Rae schob ihre Decke von sich und betrachtete Shaunees leeres Bett. Sie sollte wach bleiben, um sicherzugehen, dass es Shaunee gutging. Es war schrecklich, die beste Freundin zu verlieren. Und Erin und Shaunee hatten zwar in den letzten paar Wochen Probleme gehabt, aber davor waren sie in ihrer ganzen Zeit am House of Night unzertrennlich gewesen. Es war etwas anderes, Streit mit seiner ABF zu haben, als seine ABF sterben zu sehen.
Automatisch wanderten ihre Gedanken zurück zu dem Tag, als sie ihr Lebensblut ausgehustet hatte und gestorben war. Damals war Zoey nicht von ihrer Seite gewichen. Und das war tröstlich gewesen. Dass Shaunee für Erin da gewesen war, musste auch für diese tröstlich gewesen sein. Und auch jetzt tat Shaunee das Richtige, indem sie bis nach Sonnenaufgang am Scheiterhaufen ihrer Freundin wachte.
Stevie Rae rollte sich herum, starrte den schwarzen Lichtschutzvorhang an und bemühte sich, die Augen offen zu halten, diese Schwäche zu bekämpfen, die rote Vampyre und Jungvampyre automatisch überkam, wenn die Sonne am Himmel stand. Es war nicht unmöglich, tagsüber wach zu bleiben. Nur verflixt schwer. Ihre Augenlider flatterten. Vielleicht sollte sie ein bisschen dösen. Sie würde schon wieder aufwachen, wenn Shaunee hereinkam, und dann könnte sie sich um sie kümmern …
Die Tür öffnete sich so leise, dass sie fast nicht erwacht wäre. Sie lag auf der Seite, dem Fenster
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