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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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richtigen Worten suchte.
      Ich musste mich bewegen. Also schnappte ich mir, ohne zu fragen, die Schlüssel von einem der farmeigenen Autos (mein Auto, mit dem ich hergefahren war, hatte einen Totalschaden) und fuhr in die Stadt.
      Ja, ich weiß, unsere große, aufregende Stadt. Die mit der einen Straße. Mit den grellen Lichtern und der Action. Ich parkte vor Early's Laden, legte den Kopf auf meine Hände am Lenkrad und bemühte mich nach Kräften, mich nicht wie eine jämmerliche Versagerin zu fühlen. Und nicht im Selbstmitleid zu versinken.
      Ich brauchte etwas Süßes.
      Early's war ein großer, altmodischer Kramladen mit demselben großen Schaufenster wie Pitson's oder MacIntyre's Drugs.
      Hier gab es Klamotten (keine modischen Teile, nur praktisches Tierfutter, Bücher, Zeitschriften (aber kein gemütliches Plätzchen, wo man sich hinsetzen und sie lesen konnte), Süßkram, Kanus, Schuhe (nichts Schickes), Sämereien, Gartengeräte - eben alles, was die Leute hier in der Gegend brauchten oder wollten. Abgesehen von mir natürlich.
      Trotzdem kam ich regelmäßig her, entweder, um etwas für die Farm zu kaufen, oder nur so, um mir die neuesten Klatschzeitschriften und etwas Süßes zu gönnen.
      Im Gang mit den Süßigkeiten fielen mir die ganzen Herzchen und Engelchen mit Pfeil und Bogen auf. Ich schlenderte zum Zeitungsstand und warf einen Blick aufs Datum: 7. Februar.
      Also nicht mehr lange bis zum Valentinstag. Aber der Kram, der hier herumlag, war so ... gewöhnlich. Es war nichts dabei, das irgendwie interessant, künstlerisch oder selbst gemacht aussah. Dabei gab es hier doch sicherlich ein paar Leute, die auf so was standen, oder? Sie brauchten einen kleinen Laden mit Sachen für begeisterte Strickerinnen, Bastlerinnen oder was immer die Leute hier taten, um sich zu beschäftigen.
      Beim Bezahlen musste ich an Dray denken. Ich hatte sie zuletzt gesehen, bevor ich nach Boston gegangen war. Und da war sie sauer auf mich gewesen. Und ich war sauer auf sie, weil ich sie bei Early's beim Klauen beobachtet hatte.
      Nur zu gern hätte ich gewusst, ob sie okay war - ob sie noch bei ihrer Loser-Familie lebte oder es tatsächlich geschafft hatte, aus dieser Stadt zu verschwinden, wie ich es ihr geraten hatte. Und da ich gerade hier war, beschloss ich, bei Meriwether vorbeizuschauen. Wenigstens sie hasste mich nicht. Ich warf einen Blick auf die Uhr - es war nach fünf; sie sollte also bei der Arbeit sein. Die Türglocke bimmelte, als ich den Laden betrat. Ich hörte den alten Mac hinten reden und suchte leise die Gänge ab, bis ich Meriwether entdeckte - die mit einem Jungen sprach. Der Junge stand mit dem Rücken zu mir, aber an Meriwethers Gesicht konnte ich erkennen, dass er sie nicht fragte, wo er ein Mittel gegen Fußpilz fand. Sie lächelte und wurde rot, achtete aber trotzdem darauf, leise zu sprechen.
      Als sie mich entdeckte, zeigte ich ihr wortlos den hochgereckten Daumen. In diesem Moment schaute der Junge nach unten und Meriwether hauchte mir hastig »Lowell« zu. Lowell war der Typ, in den sie verknallt war und mit dem sie zu der Weihnachtsparty gegangen war, in die Dray und ihre Freunde geplatzt waren und alles ruiniert hatten.
      Ich lächelte ihr zu, zog mich taktvoll zurück und verließ den Laden. Angesichts von Meriwethers beginnender Romanze wurde mir ganz warm ums Herz. Ich war ja so ein Softie. Na gut, eigentlich nicht. Aber Spaß machte es trotzdem. Ich hatte schon die Wagentür geöffnet, als mein Blick wieder einmal auf die leer stehenden Geschäfte fiel. Ich warf meine Tüte mit den Süßigkeiten auf den Beifahrersitz und überquerte die Straße.

11
 
      »Du hast ... was?« River machte große Augen.
      Ich ließ mich auf einen freien Platz am Tisch nieder - ich war so lange in der Stadt aufgehalten worden, dass das Abendessen fast vorbei war. Rachel reichte mir das Brot und Asher schöpfte mir Suppe auf den Teller.
      »Ich habe die leer stehenden Läden in der Main Street gekauft«, wiederholte ich und nahm einen Schluck Tee. Meine   Nase war immer noch eiskalt und der warme Teebecher wärmte meine klammen Finger.
      »Was meinst du mit >gekauft<«, fragte Brynne.
      »Ich meine damit, dass ich den Makler angerufen und die Läden gekauft habe«, sagte ich und tunkte das Brot in die Hühnersuppe mit Klößchen. Oh, die war so lecker. Heiß und mit viel Fleisch - so musste Hühnersuppe sein.
      »So schnell konntest du doch gar keinen Kredit kriegen.«

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