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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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Vortrags wiederherstellen könnte, nach den dürftigen Notizen auf den abgerissenen Blättern des Notizblocks!
    Am Abend, pünktlich auf die Minute kam Franz. Beide freuten sich, dass sie sich schon wieder sahen; sie waren nun wirklich wie Bruder und Schwester. Tess wollte das Buch, in dem sie gelesen hatte, zuklappen, aber Franz, in frisch fröhlicher Neugier, sah ihr ungeniert über die Schulter. Tess lächelte, sagte aber nichts. Sie sah nach ihm, wie er seine Mütze auf den Schrank warf, als ob es ein Lasso wäre. Eine Erinnerung dämmerte in ihr auf; ein bisschen Wehmut, ein bisschen Frohmut und – auch ein wenig Neid.
    „ Du liest englische Bücher, Tess?“, fragte er voll Hochachtung.
    „ Wenig patriotisch, nicht? Aber ich bin als Kind von einer englischen Gouvernante unterrichtet worden; sie sprach nur englisch mit mir, sodass ich Rechnen, Naturkunde und Geschichte in englisch in mich aufgenommen habe. Jetzt kommt mir das zugute, ich kann die Arbeiten von Rutherford und Eddington im Originaltext lesen.“
    „ So wie man ein deutsches Buch liest?“, fragte Franz mit stockendem Atem. Er fühlte sich mal wieder ganz klein vor diesem Mädchen, an dem man immer neue Wunder entdeckte. „Jetzt verstehe ich auch, dass du bei Riemenschneider solche Vorträge halten kannst. Referate über ausländische Bücher!“
    Tess sah kein anderes Mittel, ihm diese grässliche Hochachtung auszutreiben, als ihm einen tüchtigen Puff auf seine muskulösen Oberarme zu geben. Gleich zeigte er zwei Reihen blendender Zähne, kurz auf lachte er sein liebes Bubenlachen, warf die weißblonde Mähne zurück und zog sich kurzerhand einen Stuhl unter das Gesäß, um mit ihm zusammen an den Tisch zu rutschen, sodass auch die nachsichtigste Pensionsmutter in helles Entsetzen ausgebrochen wäre, wenn sie gesehen hätte, wie man mit ihren Stühlen und ihrem Teppich umsprang. Tess musste sich für einen Moment nach dem offenen Fenster zu bewegen, aus dem sie ihr leises, aber umso gefährlicheres Lachen ungesehen in die Nacht hinaus schütten konnte.
    „ Warum lachst du?“, fragte er plötzlich herumfahrend, wobei wieder der Stuhl die Bewegung mitmachen musste.
    „ Die Nacht draußen ist so komisch“, erwiderte Tess, unfähig, sich auch nur noch einen Augenblick zu beherrschen. Einmal schrie sie ihm ihr ausbrechendes Gelächter um die Ohren, dann hatte sie’s überstanden und kehrte beherrscht an das Licht zurück. Und gleich fuhren die Fragen wie ein Maschinengewehrfeuer auf ihn los:
     
    Erstens: Welche Metalle senden Strahlen aus? … Zweitens: Welches wertvolle Gas kann man dabei gewinnen? … Drittens: Welche Metalle werden von starken Basen angegriffen? … Viertens: Wie kann man Eisen ‘‘passivieren’’? … Fünftens: Wie stellt man Knallquecksilber für die Zündhütchen her? … Sechstens: Welches Metall hat ein weißes Sulfid? … Siebtens: Wie kann man Kalium in der Pflanzenasche nachweisen? … Achtens: Wie härtet man Stahl? … Neuntens: Wie trennt man bei der Analyse das Kobalt vom Nickel? … Zehntens: Welche Metalle verbinden sich direkt mit Stickstoff? …
     
    Franz griff sich an beide Schläfen, aber er hielt stand in dem Trommelfeuer, nur eine Frage von den folgenden vierzig ließ er aus und bei einer musste er eine Weile überlegen.
    Tess sprang begeistert auf. „Schluss um – 8 Uhr 27! – So hat noch keiner beim ‘‘langen Zeus’’ bestanden, solange ich seine Prüfungen besucht habe.“
    Der Prüfling freute sich, schon über die Anerkennung, noch mehr aber über etwas anderes; eben sah er eigentlich zum ersten Mal, dass seine Freundin, die da im schlanken, schwarzen Gewand ihm gegenüberstand, eine ganz große Schönheit war und er fand es ein wenig seltsam, dass ‘‘Perikles’’ diese Aspasia bisher ganz übersehen hatte.
    Als ob sie seine Gedanken gespürt hätte, löschte Tess sogleich alle Schönheit aus und fragte barsch: „Hast du das Fernglas mitgebracht?“
    Einen Augenblick war er enttäuscht, aber gleich darauf dachte er: Es ist gut, dass sie immer eine eiserne Maske bereithält. Wenn sie solch hellenische Schönheit stets zur Schau trüge, wäre sie auf der Straße und der Eisenbahn ihres Lebens nicht mehr sicher. „Ach, das Fernglas? Ja!“ Er lief nach dem Mantel und zog es mit Mühe aus dem Futter der stark beschädigten Tasche heraus. Ein bisschen verlegen wurde er, als er ihre Augen spürte, denen man nichts verbergen konnte.
    „ Lässt du mir den Mantel hier!“, lächelte

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