Entfesselte Energien (Band 1)
nach Hause zu gehen.
Gleich am nächsten Morgen ging er zu Riemenschneider, dem er das Wenige berichtete, was er beobachtet hatte, ziemlich missmutig und kleinlaut. Aber Riemenschneider bedankte sich, ohne die Größe des Erfolgs seinen Dankes zugrunde zu legen, und erzählte ihm, was inzwischen geschehen war: Bei der Polizei hatte er Anzeige erstattet. Noch in der Nacht wurde daraufhin das Institut abgesucht. Auf seinen Hinweis hin wurde auch der Laboratoriumsdiener vernommen, der zwar selbst mürrisch und sehr kurz angebunden war, aber als Täter oder Hehler bestimmt nicht infrage kam, der aber seinen Bub, seine Aushilfskraft durchaus nicht deckte und der Polizei bereitwillig den Verschlag wies, in dem der Junge seine Sachen verwahrte.
Es war für alle Anwesenden eine große Überraschung, was da alles zutage kam: Platinbleche, Platintiegel die vor langer Zeit im Institut verschwunden und längst aufgegeben waren, teure Präparate, wie Baryumplatinzyanür, auch kleine Elektronenröhren, Oszillatoren, Quarzprismen; ein ganzes Lager eines durchaus sachverständigen Bastlers. Noch in der Nacht wurde der vielseitige und vielversprechende Jüngling aus seiner Wohnung geholt und seinem Diebesgut gegenübergestellt. Riemenschneider hatte sich währenddessen in einen Nebenraum zurückgezogen, von wo er eine Weile das Ableugnen des frechen Burschen sich anhörte. Dann trat er plötzlich vor und sagte ihm alle seine Schandtaten auf den Kopf zu. Der Bub erschrak furchtbar und gestand alle Diebstähle ein. Nun einmal im Zuge, gestand er auf Riemenschneiders etwas kategorisch formulierte Frage hin auch ein, dass er zwei jungen Leuten einen Nachschlüssel zum Institut verschafft habe.
„ Was hast du dafür bekommen?“
„ Zehn Mark.“
„ Ziemlich wenig!“, raunte Riemenschneider bedauernd. „Und wer waren die beiden?“
„ Wie sie heißen, weiß ich nicht.“
„ Sind’s Ausländer?“
„ Ich – ich …“
„ Konntest du verstehen, was sie untereinander sprachen?“
„ Nein.“
„ Also Ausländer! – Weißt du, wo sie wohnen?“
„ Nein.“
„ Nun, die Wohnung des einen haben wir ja“, sagte Riemenschneider, zu den Polizisten gewandt. „Also gehen wir jetzt zu ihm!“ – Noch einmal wandte er sich an den Bub: „Kamen die beiden in meine Vorlesung?“
„ Ja, oft!“
„ Dann wird mein Famulus vielleicht noch Auskunft darüber geben können.“
Man begab sich darauf zu dem Hause, in dem der eine Gauner verschwunden war, leider etwas zu spät! Der Vogel war ausgeflogen. Nur seinen Namen erfuhr ma n – falls es der richtige war. ‘‘Palman’’, schrieb er sich. Manchmal setzte er auch noch ein ‘‘h’’ hinter das erste ‘‘a’’. ‘‘Pahlman’’ machte entschieden einen unverfänglicheren deutschen Eindruck. Auch der zweite Einbrecher wurde trotz eifrigsten Fahndens nicht gefunden, die beiden hatten den Tübinger Boden wohl noch in der Nacht verlassen.
Alles in allem war der Fall ziemlich unangenehm und seine Lösung unbefriedigend. Auf Riemenschneider machte er einen umso peinlicheren Eindruck, als er sich selbst nicht von aller Schuld freisprechen konnte; er war zu leichtgläubig gewesen, hatte Vorsichtsmaßnahmen unterlassen. Aber noch war ja nichts geschehen; denn was die Einbrecher mitgenommen hatten und ihren Auftraggebern vielleicht mit großer Wichtigkeit und für viel Geld aushändigen würden, war ja vollkommen wertloses Drahtgerümpel.
Aber wer waren die Auftraggeber? Und woher hatten sie die Kunde von seinen Versuchen? – ‘‘Palman’’? – ‘‘Pahlman’’? Was für einer Nationalität konnte dieser Mann angehören? Ebersbach hatte einen kleinen, dunkelhaarigen und braun getönten Jüngling beobachtet, der hin und wieder zur Vorlesung erschienen war, er meinte ihn für einen Rumänen oder Südamerikaner halten zu müssen. Er hatte ihn geduldet – was konnte er ihm nachweisen. Ein klein wenig hatte er sich wohl auch geschmeichelt gefühlt – für seinen Lehrer!
Ein paar Tage wartete Riemenschneider ab, dachte häufig nach über den Fall und kam doch zu keinem weiteren Entschluss. Was sollte man noch unternehmen in dieser geheimnisvollen, hoffnungslos rätselhaften Angelegenheit! Sein Gewissen mahnte ihn an das große, überragende Werk, er beschloss, neue Versuche zu beginnen und schrieb an seine Schülerin.
Tess, die schon alle Hoffnung aufgegeben und das Ganze, diese so höchst ehrenvolle Berufung zur Mitarbeiterin als eine schöne,
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