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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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zuhause geschehen ist?“
    „ Nein, aber rar hast du dich gemacht.“ Er reichte ihr stumm die Hand. „Soll nun doch Ulli das Gut übernehmen?“
    „ Ja.“
    „ Wird er es können?“
    „ Er muss es können. Wer sollte es denn sonst tun?“
    „ Alle sagen dort, dass jemand anderes es viel besser können würde.“
    „ Wer?“ Tess fuhr scharf herum.
    „ Du!“
    „ Nein – Nein!! Ich kann’s nicht! – Ich will’s auch nicht können!“
    „ Aber es wäre doch eine schöne, große Aufgabe, das Gut wieder auf Vordermann zu bringen, das – dir darf ich’s ja sagen – arg heruntergewirtschaftet ist.“
    Tess dachte nach. „Ich weiß – ich weiß.“ Einen Augenblick lang kam eine Qual über sie, bei der Erinnerung an die Zustände zuhause, aber sie riss sich davon los. „Es gibt noch viel größere, viel wichtigere Aufgaben! Übrigens Aufgaben, die mich durchaus auf der Linie weiterführen, die meine Vorfahren gegangen sind: alles fürs Vaterland! Wenn uns heute etwas nützen kann, so ist es die Technik, und vor allem die Chemie.“
    „ Man würde dir zuhause entgegenhalten, dass dafür genug Chemiker da sind, dass euer Gut aber nur von dir gerettet werden kann.“
    Tess zuckte die Achseln und sah vor sich aufs Pflaster. Endlich konnte sie aussprechen, was sich aus der Sphäre der Gefühle heraus zu einem Gedanken geformt hatte: „All das sind im Grunde Fragen des – wo soll ich sagen – des Rhythmus. Mein Lebensrhythmus ist nicht so, dass ich das Heranwachsen der Rinder, das Keimen der Saat, den Wertzuwachs der Bäume abwarten könnte. Ganz zu schweigen von dem nächtelangen Hocken über den Wirtschaftsbüchern. Nein, dazu wurde ich nicht geboren!“
    Franz Sellentin musste unwillkürlich lächeln. „Ich glaube dir’ s. Also bleiben wir bei der Chemie!“ Er reichte ihr fast erleichtert die Hand, die sie freudig ergriff. „Was hätte ich wohl ohne dich hier machen sollen! Übrigens ist ja deine Großmutter noch dort, die scheinbar überhaupt nicht altert. Sie hat noch immer alle Fäden in der Hand.“
    Tess nickte ihm liebreich zu. – „Wie weit bist du in der anorganischen Chemie, Franz?“
    „ Die Metalle habe ich zum zweiten Mal, und jetzt viel eingehender durchgearbeitet. Bei meinen Selbstprüfungen lasse ich kaum noch eine Frage aus.“
    „ Komm heute kurz nach acht zu mir, ich will dich prüfen, so wie der ‘‘lange Zeus’’ prüft!“
    „ Gut, Tess! Kurz nach acht! Wie viel nach acht?“
    „ Punkt acht bin ich fertig mit Essen; die Reinigungsprozedur benötigt fünf Minuten.“
    „ Müssen also ziemlich ausführlich sein. Also zehn Minuten nach acht bin ich bei dir oben.“
    „ Nein, die Zeit ist kostbar, ich habe nachher noch etwas vor.“
    „ O, wenn dir’s heute nicht passt?“
    „ Gerade heute passt mir’ s. Fünfzig Fragen will ich stellen, für eine Frage bekommst du – mit Antwort! – 20 Sekunden Zeit macht 16 2/3 Minuten. Mehr wird nicht bewilligt. Also 6 Minuten nach acht bist du oben.“
    Franz gab ihr lachend die Hand. „Du hast doch einiges von seiner Exzellenz dem Herrn Vater geerbt.“ Franz wollte kehrt machen, als Tess ihn noch einmal anrief:
    „ Hast du ein Fernglas?“
    „ Ja ein altes Feldgraues, das mein Vater im Graben gefunden hat.“
    „ Bitte bring’s mir mit!“
    „ Warum? – Aber gerne!“
     
    Viele Briefe fand Tess zuhause vor.
    „ Schrecklich!“, jammerte ihre Pensionsmutter, „ was die Leit’ nur alle von ihne wisse wolle !“
    „ Ich weiß auch nicht, Tante. Lesen tue ich höchstens die Hälfte und beantworten? – Vielleicht ein paar.“
    „ Na, aber jetzt esse Se erst mal, Kindle! Nu net de Briefe jetzt aufmache! “
    Tess lachte lieb und verschmitzt, und wenn die ‘‘Tante’’ mal hinausging, etwas Neues zu holen, hatte sie doch gleich wieder einen Brief am Wickel. Sie kondolierten ihr, alle die guten Freunde. Selbst Riemenschneider schickte noch einmal ein paar liebe Zeilen, in wundervollen großen, abgerundeten Zügen. Souverän wie der ganze Mensch. – Und Lore, ein bisschen verlegen, rührend treu und fast um Entschuldigung bittend. – Ganz ernst war Tess geworden über soviel Güte und echt Anteilnahme. Hier bin ich zuhause, hier gehör ich hin! Rief sie sich zu, recht aus Herzensgrund.
    Den ganzen Nachmittag brachte sie zu mit Antwortschreiben, diesmal viel mehr als ein Paar! Kaum kam sie zur Ausarbeitung ihres Kollegheftes von Riemenschneider! Wenn man doch all die Wärme und Farbenpracht seines lebendigen

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