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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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haben.“
    „ Gingen sie hinein?“
    „ Nein, wir sahen sie drinnen alles ableuchten und dann kamen sie vorn aus dem Portal – wir sahen sie an den Häusern sich wegschleichen.“
    „ Und wo blieben sie?“
    Tess nannte Straße und Hausnummer des einen Gauners. Riemenschneider notierte.
    „ Und der andere?“
    „ Den verfolgt Franz Sellentin – er wird ihnen berichten.“
    Einen Augenblick stand Riemenschneider und überlegte, dann machte er seine Anordnungen: „Sie bleiben jetzt hier bei den Meinigen!“ Er fasste sie regelrecht an der Schulter und schob sie an seinen Sessel. Den dankbaren Blick, das selige Glück, das er damit geschaffen hatte, sah er nicht. „Ich gehe jetzt zur Polizei“, sagte er mehr zu sich selbst, nickte Mutter und Braut liebreich zu und ging, die Hände in den Rocktaschen, ruhig und nachdenklich fort.
    Wer von den drei Zurückbleibenden ihm die wärmsten Segenswünsche, die strahlendsten Blicke nachsandte, hätte sich wohl schwer abwägen lassen. Tess zauderte noch, aber die Mutter drängte sie unweigerlich in ihr Glück, sie musste sich auf den Thron des Verehrten setzen und Seligkeit, die sie sich nie erträumt hätte, auskosten. Sie musste lächeln und beinahe hätte sie es laut gesagt, dass ihr eben der Titel eines Buches von Felix Timmermann in den Sinn kam: ‘‘Die sehr schönen Stunden der Jungfrau Symphorosa.’’ Aber es sollte so bleiben, wie es war, unausgesprochen, kaum ihr selbst bewusst – nein, über allen Grenzen des Bewusstseins. Eine Stunde Seligkeit im Paradies. Aber vielleicht war es gar keine Stunde, die sie in dem warmen Sessel des Perikles zugebracht hat, vielleicht war das was ihr eine Ewigkeit schien, nur ein Augenblick. Wo bleibt die Zeit, wenn wir in Träumereien verfallen!
    Als Tess zurückkehrte aus den Gedanken, als sie den fragenden Blick der Braut auf sich gerichtet sah, sprang sie auf, schlang ihren Arm um die Freundin und barg ihr Gesicht an ihrer Schulter, unaufhaltsam flossen ihre Tränen. Und Lore, die das so gut verstand, sagte nichts, still zog sie die Weinende an sich, streichelte sie behutsam, wie eine Mutter ihr Kind streichelt, und weinte leise ein Stückchen mit. Die Mutter Riemenschneider aber stand bedächtig auf, lächelte lieb auf die beiden Kinder herab und schlich sich unhörbar ins Haus.
    Und das war gut so; viel, viel hatten die beiden sich zu sagen. Lore löschte das Licht und zog die Freundin neben sich nieder, ganz dicht neben sich. Und da saßen sie, hielten ihre Hände verschlungen und sprachen und fühlten und ahnten das, was kein Mann je wiedergeben kann. Dann und wann lauschten sie auf fernen Schritt, auf die Stimmen der Nacht, auf ein Rascheln im Garten, auf einen klagenden Ruf einer Eule irgendwo in den Bäumen. Schauten auch zum Himmel empor, der mehr und mehr samten wurde und kleine, gedämpfte Lichter ansteckte, wie sie eben der Sommer nicht besser hat.
    „ Sonst so reich, aber darin muss er dem Winter weichen, und auch die Andacht, die Tiefe, das Schweigen der Nacht ist nicht so ehrwürdig, als ob dem Sommer doch nicht alle Schlüssel zur Verfügung ständen, wie sie der Winter hat, der alle Kammern des Tages abschließt, wenn er die Nacht heraufführt und alles Leben des Diesseits auslöscht und dem Ewigen eines statt bereitet.“
    „ Wie du das so schön gesagt hast Tess! – Aber still! – Horch! – Schritte! Herrmann kommt wieder.“
    Tess lauschte, aber nicht auf die Schritte. Sie lachte leise. „Sag’s noch einmal Bitte!“
    „ Was?“
    „ Den Namen!“
    „ Herrmann?“
    Tess drückte ihr die Hand und stand auf. „Lass uns Licht machen, dass er uns findet!
     
     
     
    Inzwischen war Franz Sellentin dem zweiten Gauner gefolgt, bis er in einem Nachtcafé verschwand. Sehr gut, mein Bürschchen, dachte er, da werden wir dich bald haben. Sofort rannte er ihm nach, aber der Mann hatte, da er ihm ja nur im Geheimen folgen konnte, doch einen gewissen Vorsprung, und als er in das Lokal trat, war da kein junger Mann zu finden, der dem Verfolgten gliche. Auch kein solcher, dessen kürzliche Ankunft in dem Lokal deutlich erkennbar gewesen wäre. Die Kellner wussten ihm keine Auskunft zu geben, oder wollten es nicht, diese Kategorie Mensch legt in solchem Fällen stets ein abweisendes Betragen an den Tag. So blieb ihm weiter nichts übrig als hinauszugehen und den Ausgang des Cafés unauffällig zu überwachen. Auch das führte zu nichts; nach stundenlangem Herumstehen musste er sich doch endlich entschließen

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