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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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aber mit seinem dunkelroten Rollkragenpullover und der Anzughose mit Bügelfalte sah er trotzdem aus wie ein Spießer. »Okay? Es war blöd von Roger, dich einzuladen. Vielleicht in ein paar Jahren ... « »Hope muss aber dabei sein!«, beteuerte Jennifer. »Es gibtkeine Party ohne Hope!«
    Ich lächelte hoch zu Max. Es war, als würde ich in einen langen, langen Tunnel schauen. »Es gibt keine Party ohne mich«, versicherte ich ihm.
    »Stimmt!«, bestätigte Incy. »Wir brauchen Hope!«
    Ein Typ, der ein paar Meter entfernt stand, hörte uns und wiederholte den Satz, als wäre er das neueste Mantra. Schon eine Minute später brüllte das ganze Erdgeschoss von Max'
    riesigem Haus auf dem Hügel: »Wir brauchen Hope! Wir brauchen Hope!«
    Die Tatsache, dass sie mich meinten, die Doppeldeutigkeit ihrer Rufe, dass ich mir so wundervoll, so geliebt, so wichtig, so beliebt vorkam - das alles war so toll und machte mich so glücklich. Ich wollte, dass es für immer so blieb.
    »Schon gut, Max«, sagte ich verträumt. »Ich bin vierhundertund... « - das Rechnen fiel mir schwer - »sechzehn. Also
    definitiv volljährig.«
    Neben mir prustete Incy los, Jennifer kicherte verwirrt und Max seufzte und verdrehte die Augen.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich von dieser Party nach Hause gekommen bin.
    Max ist vor zwei Jahren gestorben; es kam in den Nach-richten. Er ist vierundsiebzig Jahre alt geworden.

    Ich sehe immer noch aus wie siebzehn.
    Und ja, wenn ich so darüber nachdenke, war das vermutlich das letzte Mal, dass ich richtig glücklich gewesen bin.
    ***
    Ein entfernter Glockenschlag riss mich aus meinen Gedanken und ich machte die Augen wieder auf. Fast erwartete ich den jungen Max zu sehen, der sich besorgt über mich beugte, rechnete damit, die dünne indische Seide über meinen Körper gleiten zu fühlen, und fragte mich bereits, auf wessen Party ich an diesem Abend gehen würde.
    Aber stattdessen blickte ich auf eine schlichte weiße Decke. Mir war kalt und ich lag auf einem harten, schmalen Bett.
    Oh, Gott. Über vierzig Jahre waren seitdem vergangen und ich befand mich in River's Edge. Immer noch. Und die Glocke war vermutlich das Zeichen fürs Abendessen.
    Ich drehte mich auf die Seite und zog meinen Fleecepulli enger um mich. Ich hatte keine Lust, zum Abendessen zu gehen. Doch mein Magen gab ein hungriges Knurren von sich und befahl mir, gefälligst den Hintern aus dem Bett zu schwingen. Ich hatte seit dem Kaffee und der Tüte Chips am Morgen nichts mehr zu mir genommen.
    Mit knackenden Gelenken stand ich auf und nahm einen meiner schweren Motorradstiefel in die Hand. Ich warf einen Blick auf die unverschlossene Tür und horchte, aber von draußen kam kein Laut, es ging niemand an meiner Tür vorbei. Hastig zog ich einen dünnen Metallstab aus der Lasche des Stiefels und steckte ihn in das fast unsichtbare Loch im Absatz. Dann umfasste ich den Absatz mit einer Hand und sah noch einmal zur Tür. Der Absatz schwenkte zur Seite und ein Hohlraum kam zum Vorschein. Schweres, altes Gold funkelte mir entgegen. Ich konnte nicht widerstehen und fuhr mit einem Finger über die Oberfläche, spürte die Runen und die anderen Symbole, deren Namen ich ebenso wenig kannte wie ihre Bedeutung.
    Ich ließ das Geheimfach wieder zuschnappen. Dann zog ich die Stiefel an und stand auf. Es war immer noch sicher versteckt - mein Amulett. Zumindest die Hälfte davon. Die einzige Hälfte, die ich hatte, die Hälfte, die zu der Verbrennung auf meinem Nacken passte.
    Draußen auf dem Gang konnte ich mich nicht erinnern, aus welcher Richtung wir gekommen waren, und so ging ich einfach los, kehrte wieder um und fand schließlich eine Treppe. Von unten zog der Geruch nach Essen herauf und mein Magen fing wieder an zu knurren.
    Meine Erinnerung an San Francisco war richtig angenehm gewesen. Ich war damals auch eine breite Holztreppe hinuntergegangen, aber der Seidenkaftan und die Goldsandalen waren beim besten Willen nicht mit dem Männerpullover, der schäbigen schwarzen Hose und den schweren Stiefeln zu vergleichen, die ich jetzt trug.
    Schnüffelnd wie ein Trüffelschwein folgte ich dem warmen Essensduft, bis ich das Esszimmer gefunden hatte: ein langer, schlichter Raum mit Holzfußboden; einem wirklich langen Tisch, der mindestens zwanzig Personen Platz bot; hohen, gardinenlosen Fenstern mit Blick in die Dunkelheit draußen; einem großen alten Spiegel mit Goldrahmen über dem Kamin; und

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