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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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War das ein Test?
    Wenn ja, würde ich ihn mit Freuden nicht bestehen.
    »Nein, danke«, lehnte ich höflich ab.
    »Wie schön«, sagte River erleichtert. »Wer nicht mitkommt, hilft beim Abwasch. Die Küche ist da vorn.« Sie zeigte mir den Weg.
    Ich sah sie an.
    Sie kicherte beinahe, als sie ihre Truppe durch die breite, grün gestrichene Tür nach draußen führte.
    Eins zu null für River.
    Bei meinem fortgeschrittenen Alter ist wohl klar, dass ich schon vor rund vierhundertvierzig Jahren aufgehört habe, es allen Leuten recht machen zu wollen. Ich hätte locker nach oben gehen, mich wie geplant auf dem Bett zusammenrollen und einfach abwarten können, was passiert.
    Aber etwas hielt mich zurück.
    Es fühlte sich wirklich an, als hätte sie mir eins ausgewischt. Ich wette, dass sie genau gewusst hat, dass ich keine Lust zu einem Abendspaziergang mit ihr und dem ganzen Volk haben würde. Sie hatte gewusst, dass ich mich drücken würde und auch, dass dann der Küchendienst auf mich wartete.
    Wie ärgerlich. Und jetzt erwartete sie garantiert, dass ich einfach nach oben ging und mich auf dem Bett zusammenrollte - als würde sie mich ganz genau kennen. Das regte mich total auf.
    Also biss ich die Zähne zusammen und marschierte in die Küche. Ich bin freiwillig hier, sagte ich mir. Ich bin hier, weil ich es nicht mehr ertragen kann, nicht hier zu sein. Ich bin hier, weil ich nicht mehr zwischen richtig und falsch unterscheiden kann, zwischen hell und dunkel. Ich bin hier, weil ich mich selbst nicht mehr ausstehen kann. Ich bin hier, weil keiner wissen soll, wo ich bin.
    Die Küche war groß, schlecht ausgeleuchtet und auf dem neuesten technischen Stand - von 1935 oder so. Es gab keine Restaurant-Spülmaschine, die alle zwei Minuten eine Ladung Geschirr abfertigte, keine Arbeitsplatten aus Granit oder gravierte Glastüren an den Küchenschränken. Stattdessen gab es hohe Holzregale, auf denen sich das schwere weiße Keramikgeschirr stapelte, das wir beim Abendessen benutzt hatten. Auf einem anderen Regal reihten sich Gläser mit Nudeln, Reis, Getreide, Bohnen und Zerealien aneinander.
    Durch die großen Fenster, die das Licht der mickrigen Deckenlampen reflektierten, sah ich, dass draußen bereits dunkle Nacht war.
    Und das Beste von allem? Mein Kumpel Reyn, der an der Spüle stand und mir einen genervten Blick zuwarf. Seufzend verdrehte er die Augen zur Decke und hielt mir einen seifigen Teller hin.
    »Du kannst nachspülen«, sagte er und deutete auf das andere Spülbecken mit klarem Wasser.
    Wie zum Beweis, dass Reife nichts mit dem Alter zu tun hat, salutierte ich und marschierte zackig auf die Spüle zu. »Jawohl, Herr Kommandant!« Ich warf mir das Ende des Schals über die Schulter, schob die Ärmel hoch, schwenkte den Teller im sauberen Wasser und stellte ihn zum Abtropfen ins Gestell.
    Er reichte mir den nächsten. Spülen, schwenken, abstellen.

    Ich tat mein Bestes, mich gleichgültig zu geben und ihn zu ignorieren. So, als wäre er eine große Spülmaschine, die mir seifige Teller reichte. Die peinliche Wahrheit war allerdings, dass der Typ eine echte Sahneschnitte war und seine bloße Nähe schon ausreichte, um mich hyperventilieren zu lassen, was sonst gar nicht meine Art ist.
    Eigentlich habe ich keine Vorliebe für einen bestimmten Typ Mann - er muss nicht groß oder klein oder muskelbepackt oder dünn oder dick sein; auch Haut-und Haarfarbe sind mir egal. Im Grunde interessieren mich Männer nur gelegentlich. Mit einem Typen auszugehen dient nur der Unterhaltung, als Zeitvertreib, so wie Lagerhaus-Jase, der einfach ein Bedürfnis befriedigt hat. Der Mann, in den ich das letzte Mal ernsthaft verliebt war, ist in Indien gestorben, nachdem die Briten die Region Maratha besetzten. Um 1818, glaube ich. Das war der Anfang der britischen Herrschaft über ein riesiges, nicht-englisches Land und der Moment, in dem ichbeschloss, mich nie wieder in einen normalen Menschen zu verlieben. Seitdem war ich nicht mehr verliebt gewesen, auch nicht in Unsterbliche. Sich in einen Unsterblichen zu verknallen, hatte etwas so Langfristiges, und damit konnte ich nicht umgehen. Wenn ich mir vorstellte, mit jemandem Schluss zu machen und ihn dann womöglich ein paar Hundert Jahre lang mit einer anderen sehen zu müssen ... Nein, danke.
    Doch hier neben Reyn ... als ich die Hitze seines Körpers spürte, den Duft seiner frisch gewaschenen Kleider roch ... er

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