Entflammt
Igitt. Was stinkt denn hier so? Ist das Skunk?« »Ja. Es tut mir leid, aber ich muss vor acht auf dem Markt sein. Normalerweise begleitet Jasper mich, aber er hatte an— scheinend einen Zusammenstoß mit unserer heimischen Tierwelt. Kannst du ihn bitte nehmen und ihn baden?« Ich sah sie an. Jasper hechelte glücklich zu meinen Füßen zum Himmel.
»Mit Tomatensaft«, sagte River. »Setz ihn in den großen Ausguss im Stall und wasch ihn mit Tomatensaft. Ich habe Reyn schon gebeten, eine Ladung in den Stall zu bringen und dir zu helfen.«
»Aeha«, machte ich.
River musste sich ein Kichern verkneifen. »Es tut mir leid, Nastasja. Du bist meine letzte Hoffnung. Eine ordentliche Ladung Tomatensaft und danach Shampoo, dann müsste es erledigt sein. Stimmt's, Jasper, mein Süßer?«
Jasper schaute zu ihr auf und sah sehr zufrieden mit sich aus.
»Ich muss los. Vielen Dank!« Sie klopfte mir kurz auf die Schulter und rannte zurück zum Laster. Ich sah zu, wie siezurücksetzte und dann die lange unbefestigte Einfahrt hinunterfuhr, die auf die Hauptstraße führte.
Seufzend wandte ich mich Jasper zu. Er lächelte zu mir hoch. Süß, aber er stank echt grauenvoll. Wenn mich jetzt meine Freunde sehen könnten ... sie würden mich genauso verrückt und abgefahren finden wie ich sie.
»Also gut, komm mit, du Stinker«, sagte ich und zog Jasper in den Pferdestall.
Neben der großen Scheune, in der der Unterricht stattfand, gab es noch weitere Gebäude und Stallungen. River hielt sechs Pferde, aber es wäre auch genug Platz für zehn gewesen. In einer Ecke befand sich die Sattelkammer und gegenüber der große Ausguss aus Zinkblech. Reyn war bereits dort und stach Löcher in Tomatensaftdosen. Er schaute wenig begeistert zu mir auf.
»Wir sollen ihn baden«, sagte ich unnötigerweise.
»Ja.« Reyn steckte den Stöpsel in den Abfluss, bückte sich und hob Jasper mühelos ins Becken. Ich versuchte, nicht zurKenntnis zu nehmen, wie stark er war und wie fähig und gelassen. Jasper strampelte unsicher, hielt dann aber still. »Braver Hund«, murmelte ich und bemühte mich, nicht zu atmen. »Oh, mein Gott. Hoffentlich wirkt dieses Tomatenzeugs.«
»Halt ihn fest«, sagte Reyn und kippte eine Dose Tomatensaft über Jaspers Rücken. Er war vermutlich kalt, denn Jasperhörte auf zu grinsen und sah beleidigt aus.
»Nimm den Becher da und kipp noch mehr über ihn«, befahl Reyn. Das tat ich. Und mir wurde bewusst, dass ich mit Reyn alllein in diesem warmen, nach Heu duftenden Stall war. Der Morgen war noch frisch; schräge Strahlen frühen Lichts fielen durch die wenigen Fenster. Rund um uns herum raschelten die Pferde in ihren Boxen; ihre weichen Nüstern zuckten, als sie unseren Freund Jasper witterten.
Ich fühlte mich unwohl. Ich hasste es, in einem Stall zu sein und Pferde um mich zu haben. Einst hatte ich selbst Pferdebesessen, die ich abgöttisch geliebt hatte, und sie zu verlieren war die Hölle gewesen. Seitdem vermied ich es, in ihre Nähe zu kommen.
Reyns starke Arme kippten eine Dose Tomatensaft nach der anderen über Jasper, der unglücklich den Kopf hängen ließ. Jasper war ein Corgi mit kurzen Beinen und großen Fledermausohren und er stand bis zu den Ellbogen in Tomatensagt. Ich schöpfte einen Becher nach dem anderen über ihn und massierte den Saft mit der freien Hand in sein Fell.
»Lass uns über die freie Wahl reden, Jasper«, sagte ich. »Lass uns über richtige und falsche Entscheidungen sprechen.«Reyn neben mir gab sich so unerschütterlich, als könnte er auch einer Flutwelle trotzen. Er duftete nach frischer Herbstluft mit einem Hauch Holzrauch, unglaublich verführerisch. Die obersten Knöpfe seines karierten Arbeitshemdes standen offen und ich verspürte den Drang, mein Gesicht an seine glatte Brust zu pressen und seinen Geruch einzuatmen. Dann würde er seine Arme um mich legen und ich würde mich warm und geborgen fühlen ... Obwohl seine Gefühlswelt anscheinend extrem beschränkt war, konnte ich ihn mir aus vollem Halse lachend vorstellen. Ich konnte ihn mir betrunken vorstellen, obwohl natürlich kein einziges Atom von ihm jemals über die Stränge schlagen würde. Ich konnte ihn mir rasend vor Wut und mordlüstern vorstellen ... Ich erstarrte, meine Hand in Jaspers dickem Fell vergraben.
Dann schaute ich zu Reyn auf und musterte sein Gesicht. Er sah auf mich herab und kippte noch mehr Saft über den Hund.
Reyn rasend vor Wut, mordlüstern
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