Entflammt
...
Ich blinzelte. Das Bild in meinem Kopf löste sich auf wie Nebel. Was war es gewesen? Es war ... ich wusste es nicht. Es war weg. Also beschloss ich, den Stier bei den Hörnern zu packen. »Du magst mich nicht. Bist du sicher, dass wir uns noch nie begegnet sind?«
Reyns Augen flackerten. Er kippte die letzte große Dose Saft über Jasper, massierte ihn ein und versuchte, jedes stinkendeEckchen Hund damit zu erwischen. »Ich habe keinerlei Gefühle für dich ... weder in der einen Richtung noch in der anderen«, sagte er und seine Stimme klang genauso abweisend wie seine Haltung. »Lass den Saft einen Moment einwirken.«
Aus dem Augenwinkel sah ich das dreieckige Stück Haut am Halsausschnitt seines Hemds und einen Hauch von Bart—stoppeln an seinem Kinn. »Wie lange bist du schon hier?« Er warf mir einen Blick zu und sagte dann: »Wenn du ihn abgespült hast, kannst du ihn mit Shampoo waschen. Ich muss wieder an die Arbeit.«
»Kannst du mir vielleicht helfen? Er könnte rausspringen.« Ich glaubte nicht, dass Jasper irgendwohin springen würde: Er war jetzt total demoralisiert und harrte seines Schicksals. Er hatte sich sogar in den Tomatensaft gesetzt. In Reyns Kiefer zuckte ein kleiner Muskel, aber er blieb. Ich spülte Jasper ab, zog den Stöpsel heraus und schäumte ihn mit Pferdeshampoo ein.
»Oh, Reyn, da bist du!« Beim Klang von Nells Stimme drehte ich mich um. Sie kam die Stallgasse herunter und sah frisch und sauber und angemessen ländlich aus in ihrem handgestrickten Wollpulli und der Cordhose, die in teuren Gummistiefeln steckte. Ich dagegen sah aus, als wäre ich die ganze Nacht auf der Piste gewesen und hätte dann einen stinkenden Hund gewaschen. Kein Vergleich.
»Ich habe dich gesucht«, sagte sie zu Reyn. Er antwortete nicht und Nell musterte mich von oben bis unten, fröhlich und oberfreundlich wie immer. Ich versuchte, mir nichts daraus zu machen, dass ich einen Totenschädel aus glitzernden Strass-Steinen auf meinem schwarzen Sweatshirt hatte und dass meine purpurne Haremshose mit dem Hochbund wohl besser in den Zirkus gepasst hätte. Wen interessierte das schon.
»Nastasja, vielleicht hast du deine wahre Berufung gefunden!« Sie lächelte mich an und meine Rückenmuskeln verkrampften sich.
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
»Als Hundepflegerin! « Sie kicherte. »Du siehst aus wie ein Profi.«
Ich entschied, den Wasserschlauch nicht auf sie zu richten, und seufzte stattdessen.
»Reyn, ich frage mich, ob du mir helfen kannst.« Nell bedachte ihn mit ihrem Englisches-Landmädel-Lächeln und drehte sich geziert eine Locke um den Finger. »Ich muss Frühspinat aussäen.« Das war nicht das erste Mal, dass sie versuchte, bei ihm zu sein, in seiner Nähe, und ihn dazu zu bringen, dass er ihr bei irgendetwas half. Er schien es nicht zu merken.
Ich erwartete, dass er die Chance zur Flucht ergreifen würde, aber er schüttelte den Kopf. »Ich muss noch helfen, den Hund zu waschen, und dann hat Solis mich gebeten, dass ich mir Titus' Eisen ansehe.«
»Ist Titus eins von den Pferden?«, fragte ich ohne wirkliches Interesse.
Nell lächelte mich herablassend an. »Ja. Reyn ist der Fachmann für unsere Pferde. Er hat einen exzellenten Sitz.«
Ich grinste. »Das ist mir auch schon aufgefallen.«
Reyns Gesicht verzog sich und Nell wurde rot vor Verlegenheit. »Das ist ein Reitsportausdruck. «
»Ehrlich? Ich dachte, du sprichst von seinem Hintern.« Es machte mir Spaß, die beiden zu provozieren. Jetzt schienen sie beide peinlich berührt und blickten betreten zu Boden. Nell und Reyn waren die nervigsten Leute, die ich je kennen—gelernt hatte. Sie verdienten einander, obwohl mir bei dem Gedanken, dass sie zusammen waren, die Galle hochkam. Ich spülte Jasper noch einmal ab und schnupperte probeweise an seinem Fell. Nur noch ein Hauch von Eau de Stinktier.Annehmbar.
»Also gut, Junge, mach das nicht wieder«, sagte ich und hob ihn aus dem Becken. Trotz seines strammen kleinen Körpers wog er höchstens fünfzehn Kilo. Ich setzte ihn auf den Boden und wartete ...
»Oh! « Nell sprang zurück, als Jasper sich kräftig schüttelte und uns alle nass spritzte.
Ich trocknete mir die Hände an einem rauen Handtuch ab, und als Nell kehrtmachte und den Gang beinahe hinunter—stampfte, grinste ich Reyn an.
»Danke für deine Hilfe«, flötete ich.
Er sah mich einen Moment lang an und ging dann wortlos in die entgegengesetzte
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