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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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dieselbe Aufgabe bekamenund Seite an Seite arbeiten konnten. Sie bat ihn um Hilfe bei ihren Studien und überschüttete ihn mit kleinen Aufmerksamkeiten, die er kaum zur Kenntnis nahm.
    Die Leute mögen mich oder sie hassen mich und Nell schien ins zweite Lager zu gehören. Ich weiß nicht, ob sie mich wirklich hasste, aber wenn Reyn und ich zusammen arbeiteten, sah sie immer aus, als wollte sie mich am liebsten in Steinverwandeln. Und wenn ich dann blinzelte, war es vorüber.
    Reyn und Nell zu beobachten war auf jeden Fall interessant. Mir fiel auf, dass River immer noch auf eine Antwort wartete.Ich wünschte, ich könnte sagen: »Ja! Ich liebe es hier!
    Mein Herz und meine Seele sind hier und ich bin bereit für Veränderungen!« Aber das konnte ich nicht.
    »Äh, ich würde vielleicht eine weitere Woche überleben«, war alles, was ich hervorbrachte und rechnete fest damit, dassRiver mich nun auffordern würde, meine Sachen zu packen. »Das ist gut«, sagte River und küsste mich auf die Wange.
    Ich war total platt und konnte nicht widerstehen, die Stelle zu berühren, an der sie mich geküsst hatte.
    »Ach, noch etwas«, sagte sie und ich hob die Brauen. »Du brauchst andere Sachen.« Sie sah sich mit unverhohlenerNeugier in meinem Zimmer um. »Norrnale Jeans und Cordhosen. Lange Unterwäsche. Socken. Warme Hemden, Wolldicke Handschuhe. Leichtere Stiefel oder ArbeitsTurnschuhe.
    Hausschuhe. Etwas Warmes, um darin
    schlafen.« Sie stieß meinen Koffer mit dem Fuß an. »Hast etwas davon da drin?«
    dachte an das Durcheinander nicht zusammenpassender, überwiegend schwarzer Designerstücke, die ich nie richtig gepflegt hatte, billige Punk-T-Shirts und schäbige Kleider.
    »Ja, ich schätze, du hast recht«, sagte ich trübselig. »Da ich ja anscheinend viel draußen arbeiten werde ... «
    grinste. »Genau. Ich bin sicher, dass bald jemand in die Stadt fährt und dich zum Einkaufen mitnehmen kann.«
    ***
    Am späten Vormittag (und damit meine ich abartige neun Uhr morgens) des nächsten Tages fegte ich die lange Vordertreppe und versuchte mich zu erinnern, wie das Lied in der Disney-Version von »Cinderella« ging. Und ich dachte darüber nach, wie sich die Story von Aschenputtel und auch die der meisten anderen Märchen im Laufe der Zeit verändert hatten, wie sie bereinigt und entgruselt worden waren und jetzt öfter ein Happy End hatten. Dann war da noch diese Sache mit dem Glasschuh und dem Übersetzungsfehler. Als ich die Story das erste Mal gehört hatte, war Aschenputtels Schuh noch aus vair gewesen, was Pelz bedeutet. Später wurde vair dann als verre - Glas - übersetzt.
    Schwungvoll fegte ich weiter die Treppe, während ich dabei den Mäusesong aus dem Film summte. Und jetzt können wiralle noch darüber nachdenken, wie tief ich gesunken war. »Ich fahre«, hörte ich Nells Stimme unten in der Eingangshalle.Ihre hellbraunen Haare tauchten neben dem Treppengeländer auf. Dann hörte ich Reyn sagen: »Ich kann auch fahren.«
    Ich hatte entschieden, dass er der Wikingergott Odin war, der Gott der Abscheulichkeit.
    Nell zog ein entzückendes Schmollmündchen und mich ritt der Teufel. »Nun lass ihn doch fahren, Nell«, rief ich nach unten. »Er hat einen Schniedel. Das macht einen Riesenunterschied.« Ihre blauen Augen wurden groß und sie starrte zu mir hinauf.Erst schien es, als staunte sie über meine Unverfrorenheit, doch dann sah sie gereizt aus, weil ihr auffiel, dass auch Reyn zu mir hochsah.
    Ich war gelangweilt. Da konnte ich ebenso gut ein wenig aufwiegeln. Eifrig fegend fuhr ich fort: »Also natürlich nicht beim Fahren, da macht es keinen Unterschied. Aber bei anderen Sachen.Wie im Stehen pinkeln und so.«
    Reyns Stimme klang verkniffen. »Und was willst du damit sagen?«
    »Nichts. Ich verteidige nur dein Recht zu fahren. Ich meine, du bist schließlich alt genug, oder? Wie alt bist du? Dreißig?«Das meiste an ihm sah kaum zwanzig, zweiundzwanzig Jahre aus, bis auf seine umwerfenden Augen. Sie sahen aus, alswären sie hunderte Jahre alt.
    Er sagte nichts und Nell runzelte die Stirn. »Er ist zweihundertsiebenundsechzig. Ich bin dreiundachtzig. Und du?«
    Ihr britischer Akzent ließ sie richtig energisch klingen.
    »Älter.« Ich ging eine Stufe tiefer und fegte weiter. Ich hatte es zu einer Kunstform erhoben: ein breiter Schwung über dieganze Stufe, dann zwei kleinere quer, um auch in beide Ecken zu kommen. Wie sollte das meine Seele retten?

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