Entflammt
Stößen atmete.
Normalerweise lief ich Männern nicht hinterher und meistens konnte ich auch nur sehr kurz etwas mit ihnen anfangen. Aber Reyn war mir irgendwie unter die Haut gegangen. Er zog mich magisch an, ob ich es wollte oder nicht.
»Nastasja?« Asher sah mich an. Alle sahen mich an.
Ich holte tief Luft, griff mir eine Kartoffel und schnitzte gewalttätig daran herum. »Okay, also erklär mir dieses ganze Gut-und-Böse-Ding noch mal.«
Die anderen lachten (außer Reyn) und verließen die Küche, lächelnd und mit gesunder Gesichtsfarbe. Nell blieb an der Tür stehen.
»Ach, Reyn? Meine Zimmertür klemmt. Meinst du, du könntest sie dir mal ansehen?« Sie bedachte ihn mit ihremberühmten Lächeln, bei dem ich immer an Pfirsiche mit Sahne denken musste.
Reyn nickte und wollte ihr folgen.
»Reyn?«, sagte Asher und hielt ihn zurück.
»Ja? « Reyns Ton war höflich und respektvoll, nicht so herablassend, wie er immer mit mir redete. Nell zögerte, dochAsher bedeutete ihr zu gehen. Sie lächelte und verschwand. »Ich habe unser Streben als eine kontinuierliche Reihe vonEntscheidungenbeschrieben, die wir jeden Tag unseres Lebens treffen müssen«, sagte Asher. »Und zu erklären versucht,dass keiner von uns perfekt ist, dass man sich für das Gute entscheiden und trotzdem einen Fehler machen kann. Ich habe gesagt, dass das Leben so nicht funktioniert. Kannst du es auf eine andere Weise erklären, damit Nastasja versteht, was ich meine?«
Oh, Gott, ja, tu es für Nastasja, dachte ich boshaft und verpasste mir sofort mental eine Kopfnuss. Das war wieder maltypisch für mich: Wieder eine Chance verpasst, sich für das Gute zu entscheiden. Ich war echt ein hoffnungsloser Fall. Reyn sah angewidert aus und ich fühlte mich ein bisschen besser. Er war genauso ungern mit mir zusammen wie ich mit ihm.
»Wie läuft denn deine Mission?«, fragte ich ihn frech und ließ Kartoffelschalen in den Ausguss fliegen. Er sah unglaublich aus, die Haare windzerzaust, die Augen leuchtend, das Gesicht leicht gerötet. Ich musste mich beherrschen, ihn nicht direkt vor Ashers Nase umzuwerfen und auf ihn draufzusteigen. Wenn ich ihm zuerst eins mit der Bratpfanne über—zog, würde er sich sicher nicht zu sehr wehren ...
»Es ist hart«, sagte Reyn nüchtern. »Es ist das härteste, was ich jemals getan habe. Es ist ein ewiger Kampf. Um Lebenoder Tod.«
Asher sah schockiert aus.
Normalerweise gab Reyn nicht so viel preis und ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Den Teil mit Leben oder Tod konnte ich nachvollziehen, aber man sollte meinen, dass er fröhlicher sein müsste, den guten Kampf zu kämpfen. »Und wieso tust du es dann?«, fragte ich geradeheraus.
Reyn schwieg und ich dachte schon, er würde gehen, ohne mir zu antworten. Aber dann sagte er: »Wenn ich es nichtversuchen würde, müsste ich zugeben, dass die andere Seite gewonnen hat. Es nicht zu versuchen, bedeutet den Tod unddie ewige Dunkelheit. Und davor kommen Wahnsinn, Verzweiflung und niemals endender Schmerz.«
Asher und ich machten beide große Augen.
»Oh. Ach so«, sagte ich.
Reyns Blick verriet nichts. Wortlos verließ er die Küche. Ich sah Asher an, der nachdenklich und vielleicht auch ein wenig besorgt wirkte.
»Er ist echt ein witziger Typ«, versuchte ich, die Stille mit einem Scherz zu durchbrechen.
Asher strich sich über den Bart und ließ mich mit den Kartoffeln allein.
11
»Wirst du bleiben?« Rivers freundliche Frage ließ mich beim Zusammenfalten der sauberen Geschirrtücher innehalten.
Ich machte den Mund auf, um Nein, ich kann nicht zu sagen, aber es kam nichts heraus.
Hier zu sein war nicht wie Urlaub, aber wenn ich darüber nachdachte, hatte ich auch nicht das Gefühl, ständig zu lei— den. Und in Boston hatte ich gelitten, ebenso in London. Ich hatte mich gefühlt, als würde ich sterben oder wäre schon tot.
Hier fühlte ich mich nicht so.
Ich fragte mich natürlich immer noch, was Incy und die anderen machten, ob sie mich vermissten, ob sie sich Sorgen machten. Ich war noch nie einfach so verschwunden. Klar, ich hatte mich schon mal aus irgendeiner Stadt verdrückt und einen Zettel hinterlassen, auf dem so etwas wie »Wir sehen uns in Konstantinopel« stand, aber diesmal hatte ich versucht, vom Erdboden zu verschwinden. Wie reagierten sie darauf? Plötzlich schauderte ich.
Mein Leben hatte sich komplett verändert, in jeder Hinsicht. War es nicht das, was ich gewollt hatte? Ich
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