Entflammte Nacht
nächste Agent, der geduldig im Korridor gewartet hattte, trat ein.
»Eine Nachricht für Sie, Sir.«
»Ah, Mr. Phinkerlington.«
Phinkerlington, ein rundlicher, bebrillter Metallätzer, brachte eine leichte Verbeugung zustande, bevor er zögerlich weiter in den Raum trat. Er hatte die Manieren eines Beamten, die Haltung eines Maulwurfs mit Verstopfung und eine schwache Verbindung zum Adel, die er aufgrund seines Naturells für einen beschämenden Makel seines Charakters hielt. »Es ist endlich etwas auf diesem italienischen Kanal hereingekommen, den ich für Sie in den letzten paar Tagen bei Sonnenuntergang überwachen sollte.« Er war außerdem sehr, sehr gut in seinem Job, der hauptsächlich darin bestand, stillzusitzen und zu horchen und dann niederzuschreiben, was er hörte, ohne darüber nachzudenken oder es zu kommentieren.
Professor Lyall setzte sich aufrecht hin. »Sie haben lange gebraucht, mir die Nachricht zu bringen.«
»Tut mir leid, Sir. Sie waren so beschäftigt heute Abend, da wollte ich nicht stören.«
»Ja, gut.« Professor Lyall machte eine ungeduldige Geste mit der linken Hand.
Phinkerlington reichte Professor Lyall ein Stück Pergamentpapier, auf das mit Tinte eine Nachricht geschrieben war. Sie war nicht von Alexia, wie Lyall gehofft hatte, sondern ausgerechnet von Floote.
Sie war auch noch so weit vom Thema entfernt und nutzlos in der gegenwärtigen Situation, dass Lyall eine kurze, aber intensive Frustration hinsichtlich Lady Maccon überkam, ein Gefühl, das bisher ausschließlich seinem Alpha vorbehalten war.
»Königin soll Italiener an Ausgrabungen in Ägypten hindern. Sollen keine Mumien von Seelenlosen finden, hätte schlimme Folgen. Lady Maccon bei Florenzer Templern. Schickt Hilfe. Floote.«
Professor Lyall verwünschte seinen Alpha dafür, dass er so überstürzt abgereist war, knüllte das Papier zusammen, und nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte, welch heikle Informationen es enthielt, aß er es auf.
Er entließ Phinkerlington und stand auf, um nach Biffy zu sehen. Der junge Mann schlief immer noch. Gut, dachte Lyall, das Beste, was er im Augenblick tun kann.
In diesem Moment betrat eine weitere Person das Büro. Lyall richtete sich auf und wandte sich zur Tür. »Ja, bitte?«
Er fing die Witterung des Mannes auf: sehr teures französisches Parfüm gepaart mit einem Hauch der besten Haarpomade der Bond Street und darunter die träge Schwere des Ungenießbaren – von altem Blut.
»Ah! Willkommen zurück in London, Lord Akeldama.«
Lady Alexia Maccon, manchmal La Diva Tarabotti genannt, nahm es ziemlich gelassen, wieder mal verschleppt zu werden. Oder, wie man es besser formulieren könnte, sie gewöhnte sich allmählich an diese Zwangslage. Bis vor etwas über einem Jahr hatte sie das recht beispielhafte Leben einer alten Jungfer geführt, in der Gesellschaft zweier alberner Schwestern und einer sogar noch törichteren Mama. Zugegeben, ihre Sorgen waren ziemlich alltäglich gewesen und ihr Tagesablauf so banal wie der jeder anderen jungen Dame mit genügend Einkommen und einer sehr beschränkten Freiheit. Aber sie hatte es zumindest vermeiden können, ständig verschleppt zu werden.
Wie es sich zeigte, erwies sich diese Entführung als eine der schlimmsten.
Alexia fand es unverschämt würdelos, mit verbundenen Augen und wie ein Sack Kartoffeln über einer mit einer Rüstung bekleideten Schulter getragen zu werden. Sie wurde eine scheinbar endlose Reihe von Treppen hinuntergeschleppt und durch Gänge getragen, in denen es so muffig war, wie es nur tief unter der Erde sein konnte. Versuchsweise trat und zappelte sie ein paar Mal, was nur zur Folge hatte, dass ein metallbekleideter Arm ihre Beine eisern umklammerte.
Schließlich erreichten sie ihren Bestimmungsort, und nachdem man ihr die Augenbinde abgenommen hatte, fand sie sich in einer unterirdischen antiken Ruine wieder, die in den Fels geschlagen worden war und von Öllampen und Kerzen erleuchtet wurde. Die kleine Zelle, in die man sie steckte, war auf einer Seite mit modern aussehenden Beschlägen vergittert.
»Na, das ist aber alles andere als eine luxuriöse Unterbringung«, beschwerte sie sich.
Der Präzeptor erschien, lehnte sich an den metallenen Türrahmen und musterte sie aus seinen leblosen Augen.
»Es ist uns leider nicht länger möglich, an Ihrem bisherigen Aufenthaltsort angemessen für Ihre Sicherheit zu sorgen.«
»Soll das heißen, dass ich in einem Tempel, umgeben von mehreren
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