Entfuehrt
Affäre hegte, auf der anderen Seite James’ wachsende Spielsucht. Cal fragte sich, ob ihre Freundschaft das überleben konnte. Ob sie überleben würde. Und ob er das überhaupt wollte, nach allem, was geschehen war.
»Ich brauche das Geld.« James hieb mit der Faust leicht gegen die geschlossene Tür. Es war Mittagszeit. Ihre Kameraden saßen in der Messe. Aber Cal hatte jetzt ohnehin keinen Hunger mehr. »Ich muss die Miete bezahlen, Schulgeld, Jeannie …«
»Weiß sie davon?«
»Nein.«
»Sie ist nicht dumm. Sie wird es irgendwann merken, dass du manchmal mehr Geld mit nach Hause bringst, als es normal wäre, und dass es andere Male knapp wird.«
»Ich habe ihr erzählt, das Geld wäre die Vergütung für Überstunden. Sie glaubt mir. Aber jetzt, mit dem Kind …«
Cal starrte ins Leere. Er wusste, dass Jeannie davon wusste. »Wie viel ist es dieses Mal?«
»Diesmal ist es eine Menge, Cal. Sie haben mich bei einem hochriskanten Spiel mitmachen lassen. Ich habe ihnen erzählt, ich hätte das Geld. Und jetzt werden sie irgendwelche Typen auf mich hetzen, wenn ich bis Ende des Monats nicht den vollen Betrag zahle.«
»Wie viel?«, wiederholte Cal. Er erbleichte, als James ihm die Summe nannte. Es war mehr, als die beiden Männer in einem Jahr zusammen verdienten.
»James, das kann ich unmöglich aufbringen.«
»Du musst mir helfen, Cal. Wenn du mir nicht hilfst, bin ich ein toter Mann.«
Wie konnte Cal ihm seine Hilfe verweigern? Sein Betrug wog schwer. Wenn er nichts tat, würde er zudem helfen, Jeannie den Mann zu nehmen und dem Kind den Vater … »Ich helfe dir. Ich weiß nicht wie, aber ich helfe dir.«
Zwei Tage später hatte James ihm seinen Plan offenbart. Cal und Kevin wurden auf eine Überseemission mit dem UDT, der Vorläuferorganisation der SEALs, geschickt, während James auf hoher See an Bord eines Schiffs war und sie mit Informationen versorgte. Und James bekam Kontakt zu jemandem, der ihm auf Kosten der Navy Waffen aus einer Überproduktion der Russen verkaufte. Das Einzige, was Cal machen musste, war, den Handel durchzuführen.
Er hatte die Anweisungen genau befolgt und Kevin mit einer kleinen Fehlinformation abgelenkt. Eine Woche später verkaufte James die Waffen an einen afrikanischen Warlord im damaligen Zaire.
Sein Freund hatte Cal so weit wie möglich aus der Sache herausgehalten. Dennoch war Cal sein Komplize und hatte genau gewusst, was James tat. Er hatte es vor sich damit gerechtfertigt, dass es so viel Schlimmeres gab, das im Namen des Krieges getan wurde … So viel Schlimmeres, das im Namen der Liebe getan wurde.
Als sie sechs Monate später erwischt wurden, deuteten sämtliche Hinweise direkt auf Kevin. Und das war genau der Plan, den James ohne Cals Wissen verfolgt hatte.
»Ich war es nicht«, sagte Cal langsam. »Ich habe die Waffen nicht verkauft. James war’s. Und als Kevin entdeckte, was passiert war, hat er mich bedroht. James stellte sich ihm in den Weg und hat alles gestanden.«
»Das verstehe ich nicht. Wenn James gestanden hat, was ist danach passiert?« Rafes Stimme bebte. Cal fragte sich einen Moment lang, ob er den Jungen auf seine Seite ziehen konnte, wie er es schon mit so vielen jungen Männern getan hatte, die ihm begegnet waren. Die Jungs, die so viel verloren hatten und sich erst bei der Armee wieder fingen. Aber dann sagte ihm sein Verstand, dass Rafe bereits einen Weg eingeschlagen hatte, von dem es kein Zurück gab.
»Es passierte so schnell.«
»Sie haben meinem Vater die Schuld in die Schuhe geschoben. Sie haben ihn getötet und zugelassen, dass er in Ungnade gefallen ist.«
»Ich schuldete es James. Ich habe nicht über die Konsequenzen nachgedacht, die es für deine Familie haben könnte.« Cal schluckte hart.
»Und wenn Sie nachgedacht hätten? Was hätte das geändert?« Rafes Stimme wurde hart. »Sie haben all die Jahre von Ihrer Tochter gewusst und nichts getan.«
»Ich nehme alle Schuld auf mich. Das hätte ich schon vor Jahren tun sollen, und ich wollte es auch, als das alles geschah. Es entsteht nichts Gutes, wenn man lügt und betrügt.«
»Sie nehmen alle Schuld auf sich? Sie werden auf sich nehmen, was ich Ihnen auferlege.« Rafes Stimme klang in der eisigen Nachtluft Virginias kalt und bedrohlich.
Cal fing langsam an zu zittern. Seine Arme waren über seinen Kopf gestreckt, sodass er glaubte, Muskeln und Sehnen müssten bald reißen, während seine Zehen kaum den Boden berührten. »Kevin war ein guter Mann. Er hätte
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