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Entfuehrt

Entfuehrt

Titel: Entfuehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Tyler
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Army? Sie hat dir zurückgegeben, was dir fehlte?«
    »Sie hat mir nicht geschadet.« Er zuckte die Schultern. »Aber das ist meine Geschichte und nicht deine. Wenn du als Armeeangehörige zurück in ein Land der Dritten Welt gehst, wird es vollkommen anders für dich sein«, versprach er ihr. »Du wirst keine Einheimischen behandeln.«
    »Ich weiß. Hat Cal dir gesagt, du sollst es mir ausreden?«
    »Nein. Aber du musst verstehen, wie sehr er sich um dich sorgt.«
    Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln und schob ihren leeren Teller von sich. Sie atmete tief durch, als sei sie satt und zufrieden. Ihre Finger tanzten über die Schneide des stumpfen Messers, und sie hielt ihren Blick darauf gerichtet, während sie sagte: »Onkel Cal ist mein biologischer Vater.«
    Überrascht hob er den Kopf. Es gab nur wenig, das ihn so überraschen konnte. »Er hat nie davon erzählt …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er weiß nicht, dass ich es weiß. Meine Mutter ahnt es auch nicht.«
    »Seit wann weißt du davon?«
    »Es fühlt sich an, als wüsste ich es schon ewig. Ich war acht, als mein Vater umgebracht wurde. Für mich ist er immer noch mein Dad … und wird es wohl immer sein.« Sie lehnte sich gegen das Polster aus rotem Kunstleder und streckte die Beine aus. Ihre Füße ruhten neben ihm auf der Bank.
    »Glaubst du, Cal weiß es?«
    »Ja, er weiß es«, sagte sie leise. »In der Nacht, als er meiner Mom vom Tod meines Dads erzählte, habe ich gelauscht. Onkel Cal sagte: Ich habe es versucht, Jeannie, aber ich konnte ihn nicht retten. Ich konnte ihn nicht retten, und dabei verdanke ich ihm so viel. Ich hab ihn um Isabelle betrogen. Ich brauchte kein Genie zu sein, um alle Puzzleteile zusammenzusetzen.« Sie seufzte schwer. »Es ist übrigens ziemlich offensichtlich. Onkel Cal und ich sind uns erschreckend ähnlich.«
    »Stört es dich, dass sie dir nie davon erzählt haben?«
    »Nein. Mich quält nur, wenn ich sehe, wie meine Mom ihn manchmal anschaut. Sie liebt ihn noch immer.«
    »Du hast das Thema nie zur Sprache gebracht? In all den Jahren nie ein Wort?«
    »Über solche Dinge wird in meiner Familie nicht geredet«, gab sie zu. In ihrer Stimme schwang keine Bitterkeit mit. Es klang eher, als habe sie es einfach akzeptiert. »Na ja, das hat sich durch die Sache mit Ärzte ohne Grenzen geändert. Das hat zumindest eine gewisse Form von Dialog in Gang gebracht.«
    Sie schwieg eine Weile. Plötzlich wusste er, was sie ihn fragen wollte. Er wusste es einfach. Und er sagte ihr, was sie hören wollte. »Ich habe meinen leiblichen Vater nicht gekannt.«
    »Hast du mal darüber nachgedacht, ihn zu suchen?«
    Er starrte sie lange an. Ihre haselnussbraunen Augen hielten seinem Blick stand. »Was würde das ändern?«
    »Richtig. Was würde das schon ändern.« Sie griff über den Tisch, und seine Hand traf ihre auf halber Strecke. Er hielt sie für ein paar Sekunden fest, bis er seine Stimme wiederfand.
    »Komm. Es wird Zeit, dass du dein neues Zuhause beziehst.«

 
    11
    Es passierte schon wieder. Gewehrschüsse zerrissen die Stille. Das Geräusch hob sich von der gespenstischen Ruhe, die einem Angriff durch die Rebellen immer voranging, deutlich ab.
    Schreie und das ständige Rattern von Maschinengewehren. Sarah konnte sich nicht rühren. Sie stand erstarrt an die Rückwand eines der Hauptgebäude der Klinik gepresst. Es gab nichts, das sie für diese Menschen tun konnte. Das Flackern der Lichter und der Lärm erreichten einen schwindelerregenden Höhepunkt – und kamen trotzdem nicht zur Ruhe.
    Sie war erstarrt. Ein einzelner Mensch mit einer Waffe, die gegen die Soldaten nichts ausrichten konnte. Aber trotzdem fühlte sie sich plötzlich wieder an die Vergangenheit erinnert. Als sie sechzehn gewesen war, waren die Soldaten gekommen. Sie brachen in ihr Haus, in ihr Leben ein und nahmen ihr alles, was sie je gekannt hatte. In diesem rasenden Zorn, mit dem sie das Land von den weißen Besitzern zurückforderten, kochte die Feindseligkeit zu einer alles mit sich reißenden, blinden Wut hoch.
    Sie hatte bleiben wollen, hatte sich mit den Soldaten auseinandersetzen wollen. Sie wollte die Männer anflehen, ihrer Familie die Farm zu lassen. Doch stattdessen packten ihre Mutter und ihre Schwester sie und zerrten sie mit sich aus der Hintertür. Sie versteckten sich zwischen den Tabakpflanzen auf dem Feld hinter dem Haus, bis die Ausschreitungen vorbei waren. Sie blieb anschließend in Simbabwe, bis sie es nicht länger ertrug,

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