Entführung des Großfürsten
retrouvé sa conscience. Vous aviez raison.« 17
Ich blickte von ihr zu Fandorin und fühlte, daß ich ihn etwas fragen mußte.
»Was bedeutet ›uragirimono‹?« wiederholte ich das klangvolle Wort, das ich eben erst gehört zu haben glaubte.
»Es ist japanisch und bedeutet V-Verräter«, antwortete Fandorin ruhig, während er sich über mich beugte und mir miteinem Finger die unteren Augenlider herunterzog (ich erstarrte bei dieser Unverfrorenheit). »Sjukin, ich bin froh, daß Sie leben. Nach einem derartigen Schlag hätte es passieren können, daß Sie gar nicht mehr aufwachen. Sie haben eine dicke Sch-Schädeldecke, haben nicht mal eine Gehirnerschütterung davongetragen. Sie waren fast vierzig Stunden ohne Bewußtsein. Versuchen Sie sich aufzusetzen.«
Ich setzte mich ohne besondere Mühe auf und geriet in Verlegenheit, denn ich sah plötzlich, daß ich nur ein Unterhemd anhatte, das auch noch auf der Brust offenstand. Als Mademoiselle meine Verlegenheit bemerkte, senkte sie taktvoll die Augen.
Fandorin reichte mir ein Glas Wasser und teilte mir in gedämpftem Ton die letzten Neuigkeiten mit, die mich endgültig in die Realität zurückbrachten.
»Sjukin, Sie haben der Sache sehr geschadet, indem Sie unseren Plan Oberst Karnowitsch mitteilten. Der vielversprechende Faden ist abgerissen. Stumpf ist tot. Vier Bandenmitglieder, einschließlich des von mir betäubten Wachpostens, wurden festgenommen, aber sie wissen nichts. Einer hatte die Aufgabe, die Eremitage zu o-observieren. Der zweite lenkte die Kutsche, die Sie einzuholen versuchten. Er hat Ihnen eins mit der Peitsche übergezogen, erinnern Sie sich? Aber wer in der Kutsche saß, weiß er nicht, er hat nicht einmal die Rufe des Knaben gehört. Stumpf hatte ihm befohlen, sich an der Nikolo-Jamskaja auf den Bock zu setzen, eine bestimmte Route zu fahren und dann beim Andronikow-Kloster abzusteigen. Dort hat ein anderer Kutscher seinen Platz eingenommen, dem Aussehen nach kein Russe. Das ist alles. Stumpf hätte uns wenigstens sagen können, wo Linds V-Versteck ist. Jetzt stehen wir mit leeren Händen da.Masas Zorn ist also zu verstehen. Da nun sicher ist, daß Sie es überlebt haben und fast unversehrt sind, wird man meinen Gehilfen endlich freilassen, ohne ihn bin ich wie ohne Hände.«
Ich griff nach meiner Stirn und ertastete eine riesige Beule. Recht war mir geschehen.
»Es gibt überhaupt keine Anhaltspunkte?« Meine Stimme zitterte, als ich mir der Schwere meines Fehlers bewußt wurde.
»Wir können nur noch auf M-Mademoiselle Déclic hoffen. Meine Phantasie gibt leider nichts mehr her. Gnädiges Fräulein, erzählen Sie Afanassi Stepanowitsch von Ihren Fahrten zu Lind gestern und heute.«
»Was, Sie waren in der Zwischenzeit schon zweimal bei ihm?« wunderte ich mich und drehte mich zu dem grauen Fenster um. »Wie spät ist es jetzt?«
»Ja, das Treffen war eute morgen ganz früh«, antwortete Mademoiselle. »Erlauben Sie mir, französisch zu sprechen? Das geht schneller.«
Und wirklich, in fünf Minuten legte sie die Ereignisse dar, die in der Zeit meiner erzwungenen Abwesenheit geschehen waren.
Gestern, am Samstag, war sie wieder durch einen Zettel aus der Kirche herausgerufen worden. Die Kutsche (eine andere als am Vortag, aber ihr sehr ähnlich und auch mit vernagelten Fenstern) hatte ganz in der Nähe in einer Gasse gewartet. Der Kutscher war derselbe – bärtig, stumm, mit tief in die Stirn gezogenem Hut. Nach vierundfünfzig Minuten (Fandorin hatte Mademoiselle eine Uhr mit Leuchtziffern mitgegeben) verband man ihr wieder die Augen und führte sie in den schon bekannten Keller. Dieses Mal nahm man ihr kurz die Augenbinde ab, damit sie einen Blick auf MichailGeorgijewitsch werfen konnte. Der Junge lag mit geschlossenen Augen, war aber am Leben. Umblicken durfte sich die Gouvernante nicht, und sie sah nur eine kahle Steinwand, von einer Kerze erhellt, und eine Truhe, die dem Jungen als Bett diente.
Am heutigen Morgen hatte sich alles wiederholt. Doktor Lind hatte die Aigrette aus Brillanten und Saphiren verlangt. In den wenigen Sekunden, die sie ohne Augenbinde war, konnte sie den kleinen Gefangenen besser als am Vortag betrachten. Er lag immer noch ohne Bewußtsein, war stark abgemagert, und die linke Hand war verbunden. Mademoiselle hatte seine Stirn befühlt und festgestellt, daß er hohes Fieber hatte.
An dieser Stelle unterbrach Mademoiselle ihre Erzählung, doch sie hatte sich rasch wieder in der Gewalt.
»Wenn es doch bald
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